Verbindlichkeiten: Welche Aufwendungen den Wert des Erbes verringern

Nachlassverbindlichkeiten darf der Erbe von seinem steuerpflichtigen Erwerb abziehen. Damit mindert er den Wert des Erbes und zahlt am Ende weniger Erbschaftssteuer.

Warum sind Nachlassverbindlichkeiten abziehbar?

Erbschaftssteuerpflichtig ist nicht das Vermögen des Erblassers an sich, sondern nur die „Bereicherung“ des Erben – also dessen tatsächlicher Vermögenszuwachs. Deshalb darf der Erbe bestimmte Kosten, die in Verbindung mit der Erbschaft entstehen, abziehen. Diese mindern das Vermögen und damit die Bereicherung. Unter dem Strich unterliegt damit quasi nur das Netto der Erbschaft der Erbschaftssteuer.

 

Was sind Nachlassverbindlichkeiten?

Welche Aufwendungen zu den Nachlassverbindlichkeiten zählen, ist im Gesetz ausführlich geregelt (§ 10 Abs. 5 ErbStG).

Zu den Nachlassverbindlichkeiten zählen:

Praxistipp:

Für die Erbfallkosten gibt es einen Pauschbetrag in Höhe von 10.300 Euro. Damit spart sich der Erwerber einen detaillierten Nachweis der angefallenen Kosten. Höhere Aufwendungen kann er jederzeit durch Einzelnachweis darlegen. Schulden und Verbindlichkeiten sind in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen, hier gibt es weder Pauschbetrag noch Höchstbetrag.

Was sind keine Nachlassverbindlichkeiten?

Bestimmte Aufwendungen sind vom Abzug als Nachlassverbindlichkeiten ausgeschlossen. So soll zum Beispiel steuerfreies Vermögen nicht doppelt begünstigt werden, indem zusätzlich zur Steuerfreiheit noch Schulden abziehbar sind. Kosten, die der Erbe gar nicht tragen muss, sollen sich ebenfalls nicht steuermindernd auswirken dürfen.

Nicht als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind deshalb:

  • Schulden und Lasten, soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die nicht der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegen (§ 10 Abs. 6 Satz 1 ErbStG)
  • Schulden und Lasten, soweit die Vermögensgegenstände, mit denen sie in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, steuerbefreit sind (§ 10 Abs. 6 Satz 3 ErbStG)
  • Schulden, wenn diese bereits bei der Bewertung berücksichtigt wurden (z.B. bei einem Gewerbebetrieb)
  • die vom Erben zu entrichtende Erbschaftssteuer (§ 10 Abs. 8 ErbStG)
  • Auflagen, die dem Erben selbst zugutekommen (§ 10 Abs. 9 ErbStG)
  • Kosten für die Verwaltung des Nachlasses (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG)
  • nach dem Erbfall entstehende Verbindlichkeiten
  • Aufwendungen, die den Erben nicht wirtschaftlich belasten, da sie von einem Dritten getragen werden oder der Erblasser sie bereits zu Lebzeiten bezahlt hat

Wer kann Nachlassverbindlichkeiten abziehen?

Der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten gilt für alle Erwerbe von Todes wegen – also nicht nur für Erben oder Miterben, sondern auch für den Vermächtnisnehmer, den Pflichtteilsberechtigten und andere Begünstigte.

Voraussetzung für den Abzug der Nachlassverbindlichkeiten bei dem jeweiligen Erwerber ist allerdings, dass eine Verpflichtung zur Übernahme der Kosten besteht. Das kann eine rechtliche Pflicht sein, manchmal genügt aber auch eine sittliche Verpflichtung. So ist zum Beispiel der Erbe rechtlich verpflichtet, die Kosten der Beerdigung zu tragen (§ 1968 BGB). Eine sittliche Verpflichtung zur Übernahme der Bestattungskosten kann zum Beispiel beim nichtehelichen Lebensgefährten des Erblassers, der aufgrund eines Vertrags zugunsten Dritter begünstigt ist, gegeben sein (R E 10.9 Abs. 2 ErbStR).

Wenn jemand anderes die Kosten trägt

Trägt eine Sterbegeldversicherung, die Beihilfe oder der Arbeitgeber des Erblassers zum Beispiel die Beerdigungskosten, kann der Erbe insoweit keine Aufwendungen mehr geltend machen. Das gilt übrigens auch, wenn jemand die Kosten zum Beispiel für ein Grabdenkmal übernimmt, ohne dafür rechtlich oder sittlich verpflichtet zu sein. Denn in diesem Fall ist der Erwerber ja nicht wirtschaftlich belastet.

Hinterlässt der Erblasser dem Erben Geld oder ein Treuhandkonto, mit dem die Nachlassverbindlichkeiten beglichen werden sollen, gehört der entsprechende Wert zum Nachlass. Die zum Beispiel für die Bestattung entstehenden Kosten sind deshalb als Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt abziehbar. Die Verfügungsbeschränkung spielt für die Besteuerung und den Abzug der Nachlassverbindlichkeiten keine Rolle (§ 9 Abs. 3 BewG).

Das gilt für steuerfreies und teilweise steuerfreies Vermögen

Ist ein geerbter Vermögensgegenstand ganz oder teilweise steuerfrei, dürfen die Erben und andere Erwerber damit in Zusammenhang stehende Schulden und Lasten nicht oder nur teilweise als Nachlassverbindlichkeit abziehen (§ 10 Abs. 6 ErbStG).

Das gilt auch, wenn der Erbfall gar nicht unter das ErbStG fällt, zum Beispiel wenn der Erbe seit längerem im Ausland lebt oder der Erblasser kein inländisches Vermögen hatte.

Gut zu wissen:

Das Abzugsverbot gilt nur für Schulden und Lasten. Das bedeutet, dass der Erwerber andere Nachlassverbindlichkeiten, insbesondere die Erbfallkosten, unbeschränkt abziehen darf. Eine Kürzung der Aufwendungen, weil das Erbe ganz oder teilweise steuerfrei ist, findet also nicht statt (R E 10.9 Abs. 1 Satz 4 ErbStR).

Das Abzugsverbot für Schulden und Lasten betrifft nicht die Erwerber, die eine Steuerbefreiung nicht in Anspruch nehmen können, so zum Beispiel wenn der Erwerber steuerbegünstigtes Vermögen (z.B. ein Familienheim) auf einen Dritten übertragen muss (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 2 ErbStG).

Das gilt bei Freibeträgen

Kann der Erwerber für einen geerbten Gegenstand einen Freibetrag in Anspruch nehmen, zum Beispiel den Freibetrag für geerbten Hausrat, ändert dieser Freibetrag nichts daran, dass die betroffenen Gegenstände – von der gesetzlichen Systematik her – weiter der vollen Besteuerung unterliegen.

Da der Gegenstand demnach nicht als „steuerfrei“ gilt – auch wenn er es nach Abzug des Freibetrags im Ergebnis letztlich ist –, ist in diesem Fall der Schuldenabzug nicht eingeschränkt (R E 10.10 Abs. 2 Satz 2 ErbStR).

Wenn die Nachlassverbindlichkeit erst später bekannt wird

Erfährt der Erbe erst nach Erlass des Erbschaftssteuer-Bescheids, dass eine Nachlassverbindlichkeit existiert, kann der Bescheid geändert und die Verbindlichkeit noch steuermindernd angesetzt werden. Allerdings geht dies nur unter bestimmten Voraussetzungen:

  • Zum einen darf den Erben kein grobes Verschulden daran treffen, dass er die Nachlassverbindlichkeit verspätet geltend macht (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 AO).
  • Zum anderen darf die vierjährige Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen sein (§ 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 AO).

Ob ein grobes Verschulden vorliegt, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Ein gewöhnlicher Fehler wie ein Vergessen, ein Irrtum, eine Verwechslung oder ein Verschreiben stellt grundsätzlich kein grobes Verschulden dar. Das sind Fehler, die jedem passieren können und deshalb nicht unüblich sind. Hätte der Fehler allerdings durch nochmaliges Kontrollieren vermieden werden können, kann es schon anders aussehen: Hier wird das Finanzamt eher ein grobes Verschulden bejahen und eine nachträgliche Berücksichtigung der Nachlassverbindlichkeit ablehnen.

Grundsätzlich gilt: Der Erbe sollte das Formular zur Erbschaftssteuererklärung und die amtliche Anleitung sorgfältig lesen und das Formular ebenso sorgfältig ausfüllen. Wer Ausgaben, nach denen im Formular explizit gefragt wird bzw. die ausdrücklich in der Anleitung erwähnt werden, nicht angibt, der muss sich grobes Verschulden vorwerfen lassen. Unterlässt der Erbe dagegen Angaben, die steuerlich relevant sind, nach denen aber nicht gefragt wird, liegt normalerweise kein grobes Verschulden vor.

Die vierjährige Festsetzungsfrist beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist. Das ist das Kalenderjahr, in dem der Erblasser verstorben ist.

Erfährt ein Erwerber erst einige Zeit nach dem Erbfall, dass er geerbt hat oder ein Vermächtnis zu seinen Gunsten vorliegt oder er auf andere Weise begünstigt wurde, beginnt die Festsetzungsfrist erst in dem Jahr, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat (§ 170 Abs. 5 Nr. 1 AO).

Beispiel:

Bei Tod des Erblassers im Jahr 2021 beginnt die Festsetzungsfrist grundsätzlich mit Ablauf des Jahres 2021 und endet vier Jahre später, also Ende 2025. Danach ist keine Änderung des Erbschaftssteuer-Bescheids mehr möglich.

Erfährt der Erbe erst im Jahr 2022 vom Tod des Erblassers, beginnt erst mit Ablauf des Jahres 2022 die vierjährige Festsetzungsfrist. Sie endet vier Jahre später mit Ablauf des Jahres 2026.

Wenn Erbfallkosten gleichzeitig Schulden oder Teil einer Auflage sind

Gehören Ausgaben eigentlich zu den Erbfallkosten, können diese aber auch gleichzeitig Schulden sein oder zum Beispiel eine Verbindlichkeit aus einer Auflage darstellen. Die Finanzverwaltung und das Gesetz haben zwar nicht ausdrücklich festgelegt, ob bzw. welche Regelung dann Vorrang hat. Aus den Hinweisen zu den Erbschaftsteuer-Richtlinien kann man jedoch folgern, dass ein Abzug als Schulden oder als Verbindlichkeit aus einer Auflage dem Abzug als Erbfallkosten vorgeht.

Zwei Beispiele, die diese Sichtweise stützen:

Beispiel 1:

Der Erblasser hat in seinem Testament bestimmt, das ein genau bezeichneter Geldbetrag des Erbes für die Dauerpflege seines Grabes zu verwenden ist.

Der für die Grabpflege bestimmte Geldbetrag ist bei den Erben als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig, allerdings nicht im Rahmen der Erbfallkosten, sondern aufgrund einer Auflage (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG; H E 10.7 „Behandlung von Grabpflegekosten“ ErbStH, Tz. 5).

Beispiel 2:

Der Erblasser beauftragt den Testamentsvollstrecker damit, die Grabpflege sicherzustellen. Die dafür erforderlichen Mittel soll dieser aus dem Nachlass entnehmen.

Bei den Grabpflegekosten handelt es sich um Nachlassverbindlichkeiten. Jedoch stellen die Grabpflegekosten hier keine Erbfallkosten dar, sondern gehören zu den Schulden (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG; H E 10.7 „Behandlung von Grabpflegekosten“ ErbStH, Tz. 3).

Der Vorteil besteht in beiden Fällen darin, dass die Kosten für die Grabpflege zusätzlich zum Pauschbetrag für Erbfallkosten angesetzt werden dürfen.

Ein abschließender Tipp

Oft stehen die Kosten noch nicht endgültig fest, wenn das Finanzamt die Erbschaftssteuer festsetzen will. Auch kann es noch Klärungsbedarf darüber geben, ob und wenn ja in welcher Höhe es zum Beispiel weitere Schulden des Erblassers gibt. In diesen Fällen empfiehlt es sich, den Erbschaftssteuerfall möglichst lange offen zu halten – vor allem im Hinblick darauf, dass sich ein späterer bestandskräftiger Bescheid nicht so einfach ändern lässt.

Das Offenhalten erreicht man durch einen Antrag auf Vorläufigkeit (dann bleibt nur ein bestimmter Punkt offen) oder durch einen Antrag auf Vorbehalt der Nachprüfung (dann bleibt der komplette Fall offen).

Vorteil des Vorbehalts der Nachprüfung: Er ermöglicht eine umfassende Änderung zugunsten des Erwerbers. Nachteil: Das Finanzamt darf jedoch auch jederzeit den Bescheid zuungunsten des Erwerbers ändern.

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