Schulden des Erblassers: Ganz oder gar nicht oder nur teilweise abziehbar

Solange für den geerbten Gegenstand keine Steuerbefreiung in Betracht kommt, ist der Abzug von Schulden und Lasten relativ unkompliziert. Ist der Gegenstand komplett steuerfrei, ist insoweit auch alles klar. Problematisch wird es jedoch, wenn Schulden und eine teilweise Steuerbefreiung aufeinandertreffen oder Schulden sich gar nicht zuordnen lassen. Dann schreibt das Gesetz eine anteilige Kürzung bzw. verhältnismäßige Aufteilung vor. Die Berechnung hat es mitunter in sich – dafür sollte man schon mal den Taschenrechner bereit legen.

Schritt für Schritt

Schulden des Erblassers gehören zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG). Das klingt einfacher als es in der Praxis ist. Am besten geht man hier Schritt für Schritt vor:

Zunächst einmal ist zu klären, ob es sich bei den bestehenden Verbindlichkeiten überhaupt um Schulden des Erblassers handelt. Liegen nämlich keine Schulden des Erblassers vor, sind die entsprechenden Beträge auch nicht als Nachlassverbindlichkeiten ansetzbar.

Anschließend gilt es zu differenzieren: Stehen die Schulden im Zusammenhang mit einem geerbten Gegenstand?

  • Wenn ja, ist weiter zu prüfen, ob es Steuerbefreiungen zu beachten gibt, die die abziehbaren Schulden reduzieren können.
  • Wenn nein, müssen die Schulden anteilig allen Vermögenswerten des Nachlasses zugerechnet werden.
  • Kann man die Frage sowohl mit Ja und Nein antworten, führt dies zu nicht unerheblichem Berechnungsaufwand und man ist mit dem Thema Schulden eine Weile beschäftigt.

Was sind „Schulden des Erblassers“?

Unter „Schulden des Erblassers“ versteht man jede Verpflichtung des Erblassers, die zum Zeitpunkt seines Todes bereits bestand. Das können vertragliche, aber auch gesetzliche oder anderweitige Verpflichtungen sein.

Wichtig ist, dass der Erbe wirtschaftlich mit der Verpflichtung belastet ist. Also: Ohne wirtschaftliche Belastung kein Abzug der Schulden als Nachlassverbindlichkeit. Alles, was der Erblasser bereits zu seinen Lebzeiten bezahlt hat und keine weiteren Kosten für den Erben verursacht (z. B. weil gekündigt werden kann), fällt damit aus dem Schuldenbereich heraus. Das gilt auch für Kosten, die jemand anders tragen muss (z. B. Krankheitskosten, für die ein Anspruch auf Erstattung gegenüber der Krankenversicherung oder der Beihilfe besteht).

Hier einige wichtige Fälle:

Private Steuerschulden des Erblassers:

Diese sind als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig, und zwar egal, ob das Finanzamt sie bereits festgesetzt hat oder nicht. Dazu zählen auch die Einkommensteuerschulden aus dem Todesjahr, für das der Erbe die Steuererklärung für den Erblasser fertigt. Denn das sind ebenfalls noch Schulden des Erblassers. Zu den Steuerschulden gehören weiterhin festgesetzte und noch nicht gezahlte Einkommensteuer-Vorauszahlungen (R E 10.8 Abs. 2 bis 4 ErbStR).

Nachzahlungszinsen:

Werden zusätzlich zu einer Steuerschuld Nachzahlungszinsen fällig, gehören diese zu den Schulden des Erblassers. Das gilt auch dann, wenn sie zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch nicht festgesetzt waren (R E 10.8 Abs. 5 ErbStR).

Konsumentenkredit:

Hatte der Erblasser vor seinem Tod einen Kredit aufgenommen, diesen aber noch nicht vollständig zurückgezahlt, liegen insoweit Schulden des Erblassers vor.

Miete:

Bewohnte der Erblasser eine Mietwohnung, zählen die Mietzahlungen nach dessen Tod zu den Schulden des Erblassers – zumindest bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Wohnung frühestmöglich gekündigt werden kann.

Grabpflegekosten:

Diese sind den Schulden zuzurechnen, wenn der Erblasser den Vertrag zur Grabpflege bereits vor seinem Tod abgeschlossen hat und der Erbe den Vertrag mit Mitteln aus dem Nachlass erfüllt (H E 10.7 „Behandlung von Grabpflegekosten“ ErbStH, Tz. 1.2).

Übernahme einer Bürgschaft:

Die Übernahme allein führt nicht zu einer wirtschaftlichen Belastung. Diese entsteht erst, wenn der Bürge tatsächlich in Anspruch genommen wird (R E 10.7 ErbStR).

Aufwendungen zur Beseitigung von Schäden an geerbten Gegenständen:

Diese stellen keine Schulden des Erblassers dar – auch dann nicht, wenn der Erblasser ursächlich für den Schaden war.

Welche Schulden keine Nachlassverbindlichkeiten darstellen

Nicht zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören Schulden,

  • wenn sie bereits bei der Bewertung eines geerbten Gegenstandes berücksichtigt wurden. Das gilt insbesondere bei Gewerbebetrieben und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, spielt für Privatvermögen also keine Rolle.
  • wenn sie im Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die nicht der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegen.

Wenn Schulden im Zusammenhang mit einem geerbten Gegenstand stehen

Stehen Schulden in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit Vermögensgegenständen, sind sie dort abziehbar und mindern als Nachlassverbindlichkeit dessen steuerlichen Wert – und zwar ganz, teilweise oder gar nicht, je nachdem, ob es eine Steuerbefreiung gibt und wie hoch diese ausfällt.

Familienheim:

Ein Familienheim ist zu 100 % steuerfrei, ein Schuldenabzug ist deshalb insoweit nicht möglich.

Kunstgegenstände:

Kunstgegenstände sind zu 60 % oder komplett steuerfrei. Dementsprechend ist lediglich ein 40-prozentiger Schuldenabzug möglich oder gar keiner. Aber: Verzichtet der Erbe auf diese Steuerbefreiung, sind die Schulden ohne Einschränkung abziehbar.

Baudenkmäler:

Baudenkmäler (z.B. denkmalgeschützte Immobilien) profitieren von einer 85- oder 100-prozentigen Steuerbefreiung, sodass sich Schulden nur zu 15 % oder gar nicht auswirken. Aber auch hier gilt: Verzichtet der Erbe auf diese Steuerbefreiung, sind die Schulden ohne Einschränkung abziehbar.

Vermietete Wohnimmobilien:

Vermietete Wohnimmobilien sind in Höhe von 10 % steuerfrei, es werden nur 90 % des Wertes angesetzt. Der Schuldenabzug beschränkt sich demnach ebenfalls nur auf 90 %.

Hausrat:

Für geerbten Hausrat gibt es zwar auch einen Freibetrag. Doch trotzdem wird der Schuldenabzug nicht eingeschränkt (R E 10.10 Abs. 2 Satz 2 ErbStR).

Privater Grundbesitz:

Sonstiger privater Grundbesitz, also wenn weder ein Familienheim noch eine vermietete Wohnimmobilie vorliegt, ist grundsätzlich nicht steuerbegünstigt. Damit zusammenhängende Schulden sind deshalb zu 100 % ansetzbar.

Wenn die Schulden keinen Zusammenhang zu einem geerbten Gegenstand haben: Achtung, gesetzliche Neuregelung

Schulden, die nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, müssen anteilig allen Vermögenswerten des Nachlasses zugerechnet werden. Der Anteil bemisst sich nach dem Verhältnis des Wertes des jeweiligen Vermögensgegenstandes (nach Abzug der mit diesem in Zusammenhang stehenden Schulden) zum Gesamtwert der Vermögensgegenstände (nach Abzug aller in Zusammenhang mit diesen stehenden Schulden). Sind die Schulden entsprechend verteilt, können sie entweder ganz, teilweise oder gar nicht abgezogen werden, je nachdem, ob der Vermögensgegenstand, dem sie zugeordnet sind, komplett steuerpflichtig, teilweise steuerfrei oder ganz steuerfrei ist.

So sieht die Formel zur Berechnung aus:

nicht zuordenbare Schulden

×

Wert des jeweiligen Vermögensgegenstandes

(abzgl. der mit diesem im Zusammenhang stehenden Schulden)


Gesamtwert der Vermögensgegenstände

(abzgl. aller in Zusammenhang mit diesen stehenden Schulden)

Achtung:

Dies gilt aufgrund einer Änderung des § 10 Abs. 6 ErbStG erst seit 29.12.2020.

Wichtig:

Nur Schulden, die nicht im Zusammenhang mit bestimmten Vermögensgegenständen stehen, müssen verteilt werden. Das gilt nicht für Erbfallkosten, also zum Beispiel Bestattungs- oder Grabpflegekosten. Diese werden nicht gekürzt oder verteilt – so die ausdrückliche gesetzliche Regelung (§ 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG).

So funktionieren die Verrechnung der Schulden und die anteilige Zurechnung

Beispiel:

Felicitas Deinert hinterlässt ihrer Tochter Carola ein vermietetes Mehrparteienhaus mit einem Wert von 600.000 Euro, für das noch ein Kredit über 100.000 Euro besteht. Zum Nachlass gehört weiterhin das von Frau Deinert selbst bewohnte Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 150 qm, das einen Wert von 200.000 Euro hat und für das noch ein Darlehen in Höhe von 25.000 Euro läuft. Carola möchte dieses Haus selbst als Familienheim nutzen. Darüber hinaus erbt Carola ein Bankguthaben von 35.000 Euro. Für eine schicke Kreuzfahrt hatte Frau Deinert einen Konsumentenkredit in Höhe von 20.000 Euro aufgenommen, der noch nicht abbezahlt ist. Die Bestattungskosten betragen 12.000 Euro.

So werden die Schulden zugeordnet:

Vermietetes Mehrfamilienhaus: 10 % des Wertes sind steuerfrei, sodass das Haus nur mit 540.000 Euro angesetzt wird. Dementsprechend können 10 % der Schulden nicht angesetzt werden – das sind 10.000 Euro. Der Wert des vermieteten Mehrfamilienhauses nach Abzug der Schulden beträgt demnach 450.000 Euro (= 540.000 Euro ./. 90.000 Euro).

Einfamilienhaus: Carola erbt das Haus komplett steuerfrei, da die Wohnfläche nicht über 200 qm liegt und sie es als Familienheim selbst nutzen will. Dementsprechend wirken sich die Schulden, die noch auf dem Haus lasten, nicht wertmindernd aus. Der Wert des Einfamilienhauses beträgt 200.000 Euro.

Bankguthaben: Für das geerbte Geld auf dem Konto gibt es keine Steuerbefreiung, sodass die kompletten 35.000 Euro angesetzt werden.

Der Gesamtwert der geerbten Vermögensgegenstände nach Abzug der damit zusammenhängenden Schulden beträgt 685.000 Euro.

Konsumentenkredit: Diese 20.000 Euro können keinem bestimmten Vermögensgegenstand zugeordnet werden. Stattdessen werden sie anteilig allen Gegenständen des Nachlasses zugerechnet. Und das wird so gerechnet:

Auf das vermietete Mehrfamilienhaus entfallen:

20.000 Euro

×

450.000 Euro

= 13.139 Euro


685.000 Euro

Dieser Anteil kann wegen der 10-prozentigen Steuerbefreiung nur zu 90 % angesetzt werden. Das sind 11.825,10 Euro.

Auf das Einfamilienhaus entfallen:

20.000 Euro

×

200.000 Euro

= 5.839 Euro


685.000 Euro

Dieser Anteil wirkt sich steuerlich nicht aus, da Carola das Einfamilienhaus zu 100 % steuerfrei erbt.

Auf das Bankguthaben entfallen:

20.000 Euro

×

35.000 Euro

= 1.022 Euro


685.000 Euro

Hier gibt es keine Steuerbefreiung, sodass der gesamte Anteil sich steuermindernd auswirkt.

Abzugsfähige Schulden insgesamt

11.825,10 Euro

+ 1.022 Euro =

12.847,10 Euro

damit bleiben unberücksichtigt

20.000 Euro

./. 12.847,10 Euro =

7.152,90 Euro

Hier gibt es keine Steuerbefreiung, sodass der gesamte Anteil sich steuermindernd auswirkt.

vermietetes Mehrfamilienhaus

540.000 Euro

./. 90.000 Euro Kredit

./. 11.825,10 Euro anteiliger Konsumentenkredit =

438.174,90 Euro

Einfamilienhaus

200.000 Euro, 100 % steuerfrei

0 Euro

Bankguthaben

35.000 Euro

./. 1.022 Euro anteiliger Konsumentenkredit =

33.978 Euro

Bestattungskosten

 

./. 12.000 Euro

Wert des Nachlasses

 

460.152,90 Euro

Von dem Konsumentenkredit kann Carola einen Anteil von 12.847,10 Euro als Nachlassverbindlichkeiten ansetzen, plus die Bestattungskosten in voller Höhe von 12.000 Euro.

Auf den steuerpflichtigen Wert des Nachlasses kann Carola noch ihren persönlichen Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro anwenden, sodass letztlich nur 60.152,90 Euro der Erbschaftssteuer unterliegen.

Übrigens: Vor der gesetzlichen Änderungen hätte Carola die kompletten 20.000 Euro ansetzen dürfen, sodass lediglich 53.000 Euro steuerpflichtig gewesen wären (= 450.000 Euro + 35.000 Euro = 485.000 Euro ./. 20.000 Euro ./. 12.000 Euro).

Warum einfach, wenn es kompliziert geht?

Mit der gesetzlichen Änderung und der anteiligen Zurechnung der Schulden wollte der Gesetzgeber den doppelten steuerlichen Vorteil aus Steuerbefreiung und ungekürztem Schuldenabzug abschaffen. Das Ansinnen ist ja in Ordnung und nachvollziehbar – aber muss es immer gleich so kompliziert formuliert sein? Das sprachliches Ungetüm des § 10 Abs. 6 ErbStG erschließt sich selbst Profis nicht sofort. Hoffentlich gibt es bald zuverlässige Rechenhilfen – damit wäre allen Beteiligten sehr geholfen.