Denkmalgeschützte Immobilien sind zu 85 % oder ganz steuerfrei

Steht ein Gebäude unter Denkmalschutz, kann das für den Eigentümer zu einem finanziellen Alptraum werden – vor allem, wenn eine Renovierung ansteht. Immerhin können sich die Erben einer denkmalgeschützten Immobilie über Erleichterungen bei der Erbschaftssteuer freuen. Denn alte Gebäude sind Geschichte, die der Staat erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich machen möchte.

 

Was ist eigentlich ein „Baudenkmal“?

Als Baudenkmäler können nicht nur einzelne Gebäude gelten, sondern auch ganze Anlagen, wie zum Beispiel historische Straßenzüge. Erbschaftssteuerrechtlich relevant dürften im Normalfall nur einzelne Gebäude sein – wer besitzt schon eine ganze Straße.

Typischerweise steht ein Baudenkmal unter Denkmalschutz und/oder ist als Kulturgut gekennzeichnet.

Sucht man den Begriff „Baudenkmal“ im Internet, stößt man –neben der Definition des Dudens („Bauwerk als Denkmal vergangener Baukunst“) – in erster Linie auf touristisch bedeutsame Bauten, prächtige Schlösser, historische Gewölbe und viele Gebäude mit Fachwerk, im Barockstil, aus dem Mittelalter usw. Aber auch Bauwerke aus den 1970ern oder gar Industrieruinen können als Baudenkmal gelten. Selbst eine halb verfallene Scheune aus Großmutters Zeiten oder ein bröckelndes Schulgebäude haben das Zeug zum Baudenkmal.

Gut zu wissen:

Denkmalschutz ist in Deutschland Sache der Bundesländer. Dementsprechend gibt es unterschiedliche Vorgaben, wann ein Gebäude als denkmalgeschützt eingestuft wird.

Auch für Teile von Grundbesitz gewährt die Finanzverwaltung die Steuerbefreiung. Das gilt zum Beispiel, wenn zu einem landwirtschaftlichen Betrieb ein Schloss oder eine Burg bzw. ein anderes Baudenkmal gehört (R E 13.2 Abs. 1 Satz 4 ErbStR).

Wer kann die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen?

Die Steuerbefreiung für Baudenkmäler kann grundsätzlich von jedem Erben, der entsprechenden Grundbesitz erbt, beansprucht werden, und zwar unabhängig von seiner persönlichen Steuerklasse.

Die Steuerbefreiung für Baudenkmäler: Die Voraussetzungen im Überblick

Ein geerbtes Baudenkmal kann entweder mit 85 % oder komplett steuerfrei sein (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).

Wichtig:

Der Wert des Baudenkmals spielt keine Rolle. Die Steuerbefreiung sieht keine Wertobergrenze vor, sodass auch bedeutende Denkmäler von der Erbschaftssteuer befreit sein können.

Das sind die Voraussetzungen für die 85-prozentige Steuerbefreiung:

  1. Die Erhaltung des Gebäudes liegt im öffentlichen Interesse, weil es für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft bedeutsam ist.
  2. Die jährlichen Kosten übersteigen in der Regel die erzielten Einnahmen.
  3. Das Gebäude wird für die Forschung oder die Volksbildung nutzbar gemacht.
  4. Das Gebäude befindet sich im Inland, in einem EU- oder einem EWR-Land.

Das sind die Voraussetzungen für die vollständige Steuerbefreiung:

  1. Die Erhaltung des Gebäudes liegt im öffentlichen Interesse, weil es für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft bedeutsam ist.
  2. Die jährlichen Kosten übersteigen in der Regel die erzielten Einnahmen.
  3. Das Gebäude wird für die Forschung oder die Volksbildung nutzbar gemacht.
  4. Das Gebäude befindet sich im Inland, in einem EU- oder einem EWR-Land.
  5. Der Erbe ist bereit, das Gebäude den geltenden Bestimmungen der Denkmalpflege zu unterstellen.
  6. Der Gegenstand befindet sich seit mindestens 20 Jahren im Besitz der Familie (sog. Vorbesitzzeit) oder es liegt eine Eintragung in eine Denkmalliste vor.

Gut zu wissen:

Die Voraussetzungen 1. bis 4. sind bei beiden Steuerbefreiungen gleich. Für die vollständige Steuerbefreiung müssen zusätzlich weitere Voraussetzungen erfüllt sein (5. und 6.).

1. Voraussetzung: Das Gebäude ist für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft bedeutsam

Bei so manchem Bauwerk wird der eine oder andere sich schon fragen, warum es unter Denkmalschutz steht. Einige würden es am liebsten abreißen, weil sie es so hässlich finden, andere sehen darin ein wichtiges Zeugnis der Geschichte, das es zu erhalten gilt. Streit ist da vorprogrammiert. Aber über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten.

Ob die Erhaltung eines Gebäudes wegen seiner Bedeutung für Kunst, Wissenschaft oder Geschichte im öffentlichen Interesse liegt, ist deshalb nicht Sache des Erben und auch nicht seine Entscheidung. Das Finanzamt soll hier ebenfalls nicht urteilen müssen.

Bestehen Zweifel an der Bedeutsamkeit ist aus diesem Grund ein Gutachten der landesrechtlich zuständigen Behörde erforderlich (R E 13.2 Abs. 3 ErbStR). Daraus muss sich ergeben, ob das Gebäude bedeutsam ist und dass seine Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt. Dieses Gutachten muss der Erbe vorlegen, der die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen will.

Gut zu wissen:

Bei Denkmälern gilt der Nachweis, dass die Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt, als erbracht, wenn es in die Denkmalliste oder ein entsprechendes Verzeichnis eingetragen ist. Allerdings heißt das nicht, dass für jedes Haus, das unter Denkmalschutz steht, automatisch die Steuerbefreiung gilt. Dafür müssen noch weitere Voraussetzungen erfüllt sein.

2. Voraussetzung: Die jährlichen Kosten übersteigen die Einnahmen

Je älter ein Haus desto höher die Investitionen, die der Eigentümer tätigen muss. Das gilt insbesondere dann, wenn das Gebäude bewohnt oder für Besucher geöffnet ist. Es soll ja niemand zu Schaden kommen.

Als Ausgaben kommen in Betracht: Gebäude-Versicherungen, Abschreibungen, Renovierungskosten, Sanierungsaufwendungen u. Ä.

Wer selbst in dem Gebäude wohnt, sollte wissen: Der Mietwert der eigenen Wohnung zählt als Einnahme (R E 13.2 Abs. 5 Satz 2 ErbStR). Ist ein Teil des Gebäudes vermietet, müssen diese Mieteinnahmen bei der Einnahmen-Kosten-Rechnung berücksichtigt werden.

Weitere mögliche Einnahmequellen sind zum Beispiel Eintrittsgelder, Einnahmen durch den Verkauf von Bildern des Denkmals oder andere Andenken, Vermietung von einzelnen Räumen für Veranstaltungen (z.B. Hochzeiten, Lesungen).

In den allermeisten Fällen dürften die Erhaltungskosten des Baudenkmals jedoch so hoch sein, dass sie die Einnahmen übersteigen. Damit wäre diese Voraussetzung dann erfüllt.

Praxistipp:

Einnahmen können steuerpflichtig im Rahmen der Einkommensteuer sein. Hier sollte sich der Erbe rechtzeitig informieren, um die erforderlichen Steuererklärungen abgeben zu können.

3. Voraussetzung: Der Gegenstand wird für Forschung oder Volksbildung nutzbar gemacht

Das bedeutet nichts anderes, als dass das Gebäude der Allgemeinheit zugänglich sein muss, mindestens aber den interessierten Kreisen (R E 13.2 Abs. 4 ErbStR).

Wer also ein Baudenkmal erbt, es aber hinter hohen Zäunen verbirgt und den Zutritt verweigert, kann die Steuerbefreiung nicht in Anspruch nehmen.

Praxistipp:

Das Gebäude muss jedoch nicht unbedingt tatsächlich für Forschung und Volksbildung genutzt werden. Es reicht aus, wenn es für die entsprechenden Zwecke zur Verfügung steht. Dies weist der Erbe am besten durch eine Bescheinigung bzw. ein Gutachten der landesrechtlich zuständigen Behörden nach.

4. Voraussetzung: Der Gegenstand befindet sich im Inland, in einem EU-/EWR-Land

Die Finanzverwaltung gewährt die Steuerbefreiung nur für Bauten, die sich im Inland, in einem EU- oder EWR-Land befinden (R E 13.2 Abs. 1 Satz 1 ErbStR).

5. Voraussetzung: Der Gegenstand wird der Denkmalpflege unterstellt

Der Erbe muss bereit sein, den Gegenstand den Bestimmungen der Denkmalpflege zu unterstellen. Bei Gebäuden erreicht man dies durch Eintragung in ein Denkmalbuch bzw. eine Denkmalliste, sodass es unter den Denkmalschutz fällt (H E 13.2 ErbStH).

Hierzu kontaktiert man am besten die Denkmalschutzbehörde und erklärt ihr gegenüber die Bereitschaft, das Gebäude der Denkmalpflege zu unterstellen.

6. Voraussetzung: Vorbesitzzeit eingehalten oder Eintragung in Denkmalliste

Der Grundbesitz muss sich mindestens seit 20 Jahren im Besitz der Familie befinden. Das ist die sogenannte Vorbesitzzeit.

Oder – falls der Gegenstand noch nicht 20 Jahre im Familienbesitz ist: Das Gebäude ist in einer Denkmalliste eingetragen.

Das bedeutet: Für Gebäude, die sich noch keine 20 Jahre im Familienbesitz befinden und in keiner Denkmalliste eingetragen sind, kann es keine vollständige Steuerbefreiung geben, sondern höchstens die 85-prozentige.

Gut zu wissen:

Die Denkmallisten sind in vielen Bundesländern frei zugänglich und im Internet leicht zu finden. Für Rheinland-Pfalz zum Beispiel wird man unter https://gdke.rlp.de/de/ueber-uns/landesdenkmalpflege/service-landesdenkmalpflege/denkmalliste-rheinland-pfalz/ fündig.

Praxistipp:

Ist das Gebäude als Denkmal in der entsprechenden Liste eingetragen, unterstellt die Finanzverwaltung, dass alle anderen Voraussetzungen für die vollständige Steuerbefreiung (1. bis 5.) ebenfalls erfüllt sind.

Achtung: Die Steuerbefreiung kann rückwirkend entfallen

Die Steuerbefreiung kann mit Wirkung für die Vergangenheit wegfallen (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG).

Das ist der Fall, wenn

  1. das Gebäude innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb verkauft wird oder
  2. innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung entfallen.

Rückwirkend bedeutet: Hat der Erbe zunächst alle Voraussetzungen für die Steuerbefreiung erfüllt, entfallen aber später eine oder mehrere Voraussetzungen, gilt der Erwerb des Gebäudes von Anfang an als steuerpflichtiger Erwerb, für den der Erbe dann ggf. Erbschaftssteuer zahlen muss.

Beispiel:

Steht das Gebäude zunächst der Forschung und Volksbildung zur Verfügung, gewährt aber der Erbe nach drei Jahren keinen Zugang mehr, weil er keine Lust mehr auf Besucher hat, entfällt die Steuerbefreiung ebenfalls rückwirkend.

Was passiert mit den Schulden und Lasten des geerbten Baudenkmals?

Soweit das Baudenkmal steuerfrei geerbt wird, sind damit zusammenhängende Schulden und Lasten nicht abzugsfähig (§ 10 Abs. 6 ErbStG).

Auf die Steuerbefreiung für Baudenkmäler kann der Erbe jedoch verzichten (§ 13 Abs. 3 ErbStG). Dann ist der Erwerb zwar steuerpflichtig, aber dafür sind Schulden und Lasten abziehbar.

Praxistipp:

Ein Verzicht ist vor allem bei einer Überschuldung des Gebäudes empfehlenswert. So vermeidet man, für einen vermeintlich wertvollen Grundbesitz Erbschaftssteuer zahlen zu müssen, der tatsächlich mit hohen Schulden belastet ist.

Denkmalschutz: mehr Nachteile als Vorteile?

Der Besitz eines denkmalgeschützten Gebäudes bringt Rechte und Pflichten mit sich. Es gibt diverse Abschreibungsmöglichkeiten bei der Einkommensteuer und die dargestellte Steuerbefreiung bei der Erbschaftssteuer. Bei jeder Renovierung und Sanierung will jedoch die Denkmalschutzbehörde ein Wörtchen mitreden. Schenkt man den Erfahrungsberichten im Internet Glauben, geht das sogar so weit, dass die Farbe der Innentüren vorgegeben wird – in einem Fall wohl „grützegrün“. Ob man dies akzeptieren kann, muss aber jeder für sich selbst entscheiden. Unsere Empfehlung: Man sollte nicht vorschnell und allein wegen der Steuerbefreiung bei der Erbschaftssteuer den Denkmalschutz beantragen.