Das Eigenheim, in dem die Ehepartner gemeinsam gelebt haben, soll nach dem Tod eines Partners nicht mit Erbschaftssteuer belastet werden. Deshalb sieht das Gesetz eine Steuerbefreiung für das sogenannte „Familienheim“ vor, wenn die Witwe oder der Witwer dort wohnen bleibt. Erbt ein Kind das Haus der Eltern, kann ebenfalls die Steuerbefreiung greifen – vorausgesetzt, dass das Kind dort selbst einzieht.
Überblick zur Steuerbefreiung für das Familienheim
Wann ist eine Wohnung ein Familienheim?
Die Wohnung muss der Mittelpunkt des familiären Lebens sein. Hier lebt der Erbe – je nach Familienstand alleine, mit Ehepartner, Lebenspartner, Lebensgefährte, Kindern. Auch Enkel und die Eltern dürfen mit einziehen, und sogar eine Pflegekraft oder Haushaltshilfe (R E 13.3 ErbStR).
Kein Familienheim stellen dagegen Ferienwohnungen dar oder Wohnungen, die nur am Wochenende genutzt werden. Auch die Zweitwohnung eines Berufspendlers ist kein Familienheim.
Praxistipp:
Die Wohnung bleibt auch dann ein Familienheim, wenn ein Raum als Arbeitszimmer genutzt wird. Für die Steuerbefreiung ist das unschädlich, vorausgesetzt, die Nutzung als Arbeitszimmer ist von untergeordneter Bedeutung (R E 13.3 Abs. 2 Satz 9 ErbStR).
Beispiel:
Frau Hammer erbt als Alleinerbin ein Einfamilienhaus von ihren Eltern, in dem sie mit ihrer Familie wohnen will. Das Haus verfügt über 170 qm Wohnfläche. Für ihre berufliche Tätigkeit richtet sich Frau Hammer einen 14 qm großen Raum als Arbeitszimmer ein. Da diese Fläche im Vergleich zur gesamten Wohnfläche von untergeordneter Bedeutung ist, liegt ein Familienheim vor.
Wer kann ein Familienheim steuerfrei erben?
Der Kreis der Personen, die ein Familienheim steuerfrei erben dürfen, ist begrenzt auf
- Ehegatten
- Kinder
- Kinder verstorbener Kinder.
Für andere Personen ist die Steuerbefreiung für ein Familienheim nicht vorgesehen. Erben also zum Beispiel die Geschwister, die Eltern, Neffen oder Nichten, können diese die Steuerbefreiung nicht in Anspruch nehmen.
Dies gilt leider auch dann, wenn die Geschwister ein Leben lang zusammen gelebt haben. Und selbst der langjährige nichteheliche Lebensgefährte kann die gemeinsame Wohnung nicht steuerfrei erben.
Wenn der Ehegatte erbt: Das sind die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung
Erbt der Ehepartner die Wohnung, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit er die Steuerbefreiung für das Familienheim beanspruchen kann (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG):
- Der Erblasser hat in der Wohnung bis zu seinem Tod gelebt
oder
er war aus zwingenden Gründen an der Selbstnutzung gehindert. - Der Ehepartner will die Wohnung unverzüglich selbst nutzen, um darin zu wohnen.
- Die Wohnung liegt in Deutschland, einem EU-Land oder einem EWR-Land (Island, Liechtenstein, Norwegen).
zu 1.: Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist zum einen, dass der Erblasser in der Wohnung bis zu seinem Tod gewohnt hat. Die Wohnung muss also schon für den Erblasser sein Familienheim gewesen sein.
Achtung:
Eine Wohnung, die der Erblasser nur am Wochenende, im Urlaub oder aus beruflichen Gründen genutzt hat, kann nicht steuerbefreit geerbt werden. Denn Zweit-, Wochenend- und Ferienwohnungen sind keine Familienheime des Erblassers.
Hat der Erblasser nicht in der Wohnung gelebt, kommt die Steuerbefreiung grundsätzlich nicht in Betracht. Eine Ausnahme gibt es nur, wenn zwingende Gründe vorlagen, die den Erblasser daran gehindert haben, die Wohnung zu nutzen. Ein solcher zwingender Grund liegt zum Beispiel vor, wenn der Erblasser pflegebedürftig ist und deshalb in ein Pflegeheim umziehen muss oder er vor seinem Tod längere Zeit im Krankenhaus verbracht hat. Kein zwingender Grund liegt dagegen vor, wenn der Erblasser aufgrund einer beruflichen Versetzung die Wohnung nicht mehr genutzt hat oder der Erblasser sich vom Ehepartner getrennt hat und aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist.
Praxistipp:
Hat der Erblasser am Arbeitsort eine Zweitwohnung und pendelt er am Wochenende regelmäßig nach Hause zum Ehepartner bzw. zur Familie, befindet sich sein Lebensmittelpunkt dort, wo die Familie lebt. Deshalb gibt es für diese Familienwohnung auch die Steuerbefreiung für das Familienheim. Die Zweitwohnung am Arbeitsort ist dagegen nicht steuerbefreit.
zu 2.: Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist zum anderen, dass der Erbe die Wohnung für sich und ggf. seine Familie unverzüglich nutzt, um darin zu wohnen. Für den Erben muss die Wohnung also zum Familienheim werden.
Gut zu wissen:
Der Erbe muss zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht in der Wohnung gelebt haben.
Beispiel:
Herr Anton ist schwer dement und pflegebedürftig, er kann nicht zu Hause wohnen bleiben. Frau Anton ist zwar noch fit, zieht aber zusammen mit ihrem Mann in das Pflegeheim, um in seiner Nähe zu sein. Die eheliche Wohnung steht währenddessen leer. Nach dem Tod von Herrn Anton zieht Frau Anton in die Wohnung zurück. Für die Wohnung kann sie die Steuerbefreiung für ein Familienheim in Anspruch nehmen. Denn Herr Anton war durch die Pflegebedürftigkeit daran gehindert, in der Wohnung zu leben, und Frau Anton nutzt die Wohnung nach dem Tod ihres Mannes als ihr Familienheim.
Und was bedeutet „unverzüglich“? Der Erbe muss innerhalb von sechs Monaten in die Wohnung einziehen oder zumindest Maßnahmen in die Wege leiten, die auf einen baldigen Einzug hindeuten.
Praxistipp:
Nach Ablauf der sechs Monate muss der Erbe darlegen und glaubhaft machen, ob und wann er sich zur Selbstnutzung entschlossen hat und warum ein Einzug bisher nicht möglich war. Hier gilt es, das Finanzamt davon zu überzeugen, dass man an dem verzögerten Einzug keine Schuld trägt.
Ein späterer Einzug wird vom Finanzamt akzeptiert, wenn zum Beispiel vor dem Einzug eine umfassende Sanierung notwendig ist. Dauert eine Renovierung wegen eines bisher unentdeckten Mangels länger als geplant, ist das ebenfalls akzeptabel. Auch wenn mehrere Erben noch Streitfragen rund um das Erbe klären müssen und sich deshalb der Einzug verzögert, ist das nicht schädlich für die Steuerbefreiung. Hauptsache, der Erbe selbst ist nicht ursächlich für die Verzögerung. „Unverzüglich“ ist deshalb nicht mehr gegeben, wenn der Erbe erst zwei Jahre nach dem Erbfall erste Angebote für eine Renovierung einholt, obwohl er schon längst hätte tätig werden können.
Achtung:
Nutzt der Erbe die Wohnung lediglich als Zweit- oder Ferienwohnung, fällt die Steuerbefreiung weg.
zu 3.: Für Wohnungen, die außerhalb Deutschlands, der EU bzw. des EWR liegen, gilt die Steuerbefreiung nicht. Eine Wohnung zum Beispiel in Dänemark, Spanien, Island oder Norwegen kann also steuerbefreit geerbt werden, eine Wohnung in den USA oder Australien dagegen nicht.
Wenn Kinder erben: Das sind die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung
Erben die Kinder des Erblassers die Wohnung, gibt es ebenfalls bestimmte Regeln zu beachten, damit diese die Steuerbefreiung für das Familienheim beanspruchen können (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG):
- Der Erblasser hat in der Wohnung bis zu seinem Tod gelebt
oder
er war aus zwingenden Gründen an der Selbstnutzung gehindert. - Das erbende Kind will die Wohnung unverzüglich selbst nutzen, um darin zu wohnen.
- Die Wohnung liegt in Deutschland, einem EU-Land oder einem EWR-Land (Island, Liechtenstein, Norwegen).
- Die Steuerbefreiung ist flächenmäßig begrenzt auf 200 qm Wohnfläche.
zu 1.: Hier gelten die obigen Ausführungen zum Ehegatten entsprechend. Auch hier muss der Erblasser in der Wohnung gelebt haben (oder war zum Beispiel durch Pflegebedürftigkeit daran gehindert).
zu 2.: Das Kind muss – wie der Ehegatte auch – die geerbte Wohnung als Familienheim nutzen. Von diesem Grundsatz gibt es allerdings eine Ausnahme, und zwar wenn das Kind „aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert“ ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 5 ErbStG). Zwingende Gründe sind zum Beispiel Pflegebedürftigkeit oder Minderjährigkeit des Kindes: Im ersten Fall ist es tatsächlich nicht dazu in der Lage, einen eigenen Haushalt zu führen, im zweiten Fall darf es dies aus rechtlichen Gründen schon gar nicht. Kein zwingender Grund liegt dagegen vor, wenn das Kind aus beruflichen Gründen nicht in die geerbte Wohnung umziehen kann (R E 13.4 Abs. 7 Satz 5 ErbStR).
zu 3.: Hier gelten die obigen Ausführungen zum Ehegatten entsprechend.
zu 4.: Während der Ehegatte eine Wohnung unabhängig von der Größe steuerfrei erben kann, ist bei Kindern nur eine Wohnfläche von maximal 200 qm steuerlich begünstigt. Bei größeren Wohnungen ist aber nur die Fläche, die über 200 qm hinausgeht, nicht mehr von der Steuerbefreiung erfasst. Erben mehrere Kinder, wird entsprechend des Erbanteils aufgeteilt.
Beispiel:
Frau Stortz hinterlässt ihren Kindern Julius und Fabian je zur Hälfte ihr Einfamilienhaus, in dem sie bisher gewohnt hat. Das Haus hat eine Wohnfläche von 300 qm und einen Wert von 450.000 Euro. Beide Söhne ziehen nach dem Tod der Mutter in das Haus ein.
Insgesamt sind nur 200 qm Wohnfläche begünstigt. Ausgehend von der Gesamtwohnfläche sind das 2/3 (= 200 qm/300 qm). Da Fabian und Julius jeweils die Hälfte erben, sind bei jedem 2/3 des hälftigen Grundbesitzwertes steuerbefreit, also 150.000 Euro (= 2/3 von 225.000 Euro). Die restlichen 75.000 Euro gelten als steuerpflichtiger Erwerb.
Wenn Ehegatte und Kinder gemeinsam erben
Erben der Ehegatte und eines oder mehrere Kinder gemeinsam ein Familienheim, kann jeder für sich die entsprechende Steuerbefreiung beanspruchen (§ 13 Abs. 3 Satz 1 ErbStG). Die jeweiligen Steuerbefreiungen gelten also nebeneinander und schließen sich nicht aus. Nutzt jedoch einer der Miterben die Wohnung nicht als Familienheim, gibt es insoweit keine Steuerbefreiung.
Beispiel:
Herr Wüst vererbt seiner Ehefrau und seinem Sohn Florian je zur Hälfte das Einfamilienhaus, in dem die Familie gemeinsam wohnte. Das Haus hat einen Wert von 600.000 EUR und eine Wohnfläche von 300 qm.
a) Frau Wüst und Florian bleiben nach dem Tod von Herrn Wüst in dem Haus wohnen.
b) Florian ist bereits ausgezogen und führt mit seiner Familie einen eigenen Haushalt. Frau Wüst bleibt in dem Haus wohnen.
zu a): Für beide ist die geerbte Wohnung das Familienheim. Frau Wüst erbt deshalb ihre Hälfte des Hauses steuerfrei. Florian erbt seine Hälfte nur zu 2/3 steuerfrei, da die Steuerbefreiung auf 200 qm begrenzt ist (200 qm/300 qm). 1/3 von 300.000 EUR ist damit steuerpflichtig.
zu b): Die geerbte Wohnung ist nur für Frau Wüst ein steuerbegünstigtes Familienheim. Sie erbt auch hier ihre Hälfte des Hauses steuerfrei. Florian kann die Steuerbefreiung dagegen nicht in Anspruch nehmen, da das geerbte Haus für ihn kein Familienheim ist.
Wenn die Wohnung mit Schulden belastet ist
Hat der Erblasser für den Kauf der Wohnung einen Kredit aufgenommen und diesen bis zu seinem Tod noch nicht vollständig getilgt, gehen diese Schulden zusammen mit der Wohnung auf den Erben über. Erbt dieser das Familienheim steuerfrei, kann er jedoch die damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten nicht abziehen (R E 13.4 Abs. 4 ErbStR).
Beispiel:
Frau Kaiser erbt von ihrem Mann die gemeinsame Familienwohnung im Wert von 500.000 Euro. Diese ist noch mit Schulden in Höhe von 200.000 Euro belastet. Zu dem Erbe gehört auch ein Aktienpaket im Wert von 300.000 Euro. Da der Erwerb der Wohnung für Frau Kaiser komplett steuerfrei ist, kann sie die Schulden erbschaftssteuerlich nicht geltend machen. Insbesondere kommt auch keine Verrechnung mit dem geerbten Aktienpaket infrage.
Erben Kinder ein Familienheim, sind nur 200 qm steuerfrei. Die darüber hinausgehende Fläche ist steuerpflichtig – und deshalb können insoweit die Schulden abzugsfähig sein(R E 13.4 Abs. 7 Satz 7 ErbStR).
Beispiel:
Herr Dietrich hinterlässt seinen Kindern Maximilian und Carolin je zur Hälfte sein Einfamilienhaus, das er bis zu seinem Tod selbst genutzt hat. Das Haus hat einen Wert von 450 000 Euro und verfügt über eine Wohnfläche von 300 qm. Es besteht noch eine Grundschuld in Höhe von 90.000 Euro. Die Kinder nutzen das Haus als ihr gemeinsames Familienheim.
Insgesamt sind nur 200 qm Wohnfläche begünstigt. Gemessen an der Gesamtwohnfläche entspricht dies 2/3 (= 200 qm/300 qm). Jedes Kind erbt deshalb von dem halben Grundbesitzwert 2/3 steuerbefreit, also 150.000 Euro (= ½ von 450.000 Euro, davon 2/3). 1/3 der Wohnung gilt bei jedem Kind als steuerpflichtiger Erwerb. Dementsprechend kann jedes Kind 1/3 der halben Grundschuld steuermindernd geltend machen, also 15.000 Euro (= ½ von 90.000 Euro, davon 1/3). Der restliche Betrag der Grundschuld bleibt erbschaftssteuerlich unberücksichtigt.
Welche Immobilien fallen unter die Steuerbefreiung?
Unter die Steuerbefreiung für das Familienheim können grundsätzlich alle Immobilien fallen, in denen sich eine Wohnung des Erblassers befindet (§ 181 Abs. 1 Nr. 1-5 BewG). Das können sein:
- Ein- und Zweifamilienhäuser
- Mietwohngrundstücke
Das sind Häuser mit mehreren Wohnungen, die keine Ein- oder Zweifamilienhäuser sind und in denen es kein Wohneigentum gibt. - Wohnungseigentum
Darunter versteht man das Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit einem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört. - Geschäftsgrundstücke
Dies sind Immobilien, die zu mehr als 80 % betrieblich genutzt werden. - gemischt genutzte Grundstücke
Hierbei handelt es sich um Immobilien, die teilweise zum Wohnen und teilweise betrieblich genutzt werden und die nicht unter die ersten vier Punkte fallen, also keine Ein- oder Zweifamilienhäuser, keine Mietwohngrundstücke, kein Wohnungseigentum und keine Geschäftsgrundstücke sind.
Wie weit reicht die Steuerbefreiung?
Die Steuerbefreiung gilt nur für das Familienheim selbst und ist damit auf die selbstgenutzte Wohnung beschränkt (R E 13.4 Abs. 2 Satz 1 ErbStR i.V.m. R E 13.3 Abs. 2 Satz 7 ErbStR).
Gut zu wissen:
Garagen, Nebenräume und Nebengebäude, die sich auf dem Grundstück befinden und mit der Wohnung gemeinsam genutzt werden, fallen ebenfalls unter die Steuerbefreiung.
Das bedeutet: Je nach Gebäudeart ist der Erwerb ggf. nur teilweise steuerfrei. Besteht das Erbe also zum Beispiel aus einem Zweifamilienhaus, in dem der Erblasser eine Wohnung selbst genutzt und die andere fremdvermietet hat, können Ehegatte bzw. Kinder nur die selbstgenutzte Wohnung steuerfrei erben. Die vermietete Wohnung ist nicht steuerbefreit. Das gilt auch für gewerblich oder freiberuflich genutzte Räume außerhalb der eigenen Wohnung oder Wohnungen, die unentgeltlich an nahe Angehörige überlassen werden. Selbst wenn eine Wohnung an Eltern oder Kinder vermietet ist, gibt es dafür keine Steuerbefreiung.
Die Aufteilung in den steuerfreien und steuerpflichtigen Teil erfolgt nach der jeweiligen Wohn- und Nutzfläche (R E 13.3 Abs. 2 Sätze 14 und 15 ErbStR).
Beispiel:
Frau und Herrn Zimmermann gehört ein gemischt genutztes Gebäude. Sie selbst nutzen im 2. Obergeschoss eine Wohnung, die Wohnung im 1. Obergeschoss ist vermietet, das Erdgeschoss ist ebenfalls vermietet und wird als Arztpraxis genutzt. Die Wohn- bzw. Nutzflächen betragen jeweils 120 qm, der Gebäudewert beträgt 630.000 Euro.
Nach dem Tod ihres Mannes lebt Frau Zimmermann weiterhin in der Wohnung im 2. Obergeschoss. Entsprechend dem Anteil der selbst genutzten Wohnung an der gesamten Wohn- bzw. Nutzfläche (= 120 qm/360 qm), erbt Frau Zimmermann 1/3 steuerfrei, also 210.000 Euro (= 1/3 von 630.000 Euro). Die restlichen 420.000 Euro des Gebäudewertes sind steuerpflichtig, für die Wohnung im 1. Obergeschoss gibt es aber eventuell die Steuerbefreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke (§ 13d ErbStG).
Wird die Wohnung unentgeltlich gewerblich oder freiberuflich mitgenutzt, ist dies für die Steuerbefreiung unschädlich, wenn die Nutzung als Wohnung überwiegt. Eine entgeltliche gewerbliche oder freiberufliche Mitbenutzung hat dagegen zur Folge, dass die Steuerbefreiung auf den Teil der Wohnung begrenzt ist, der zum Wohnen genutzt wird (R E 13.3 Abs. 2 Sätze 10, 11, 13 ErbStR).
Beispiel:
Frau Emler ist Alleinerbin ihres verstorbenen Mannes. Das Ehepaar bewohnte bis zum Tod von Herrn Emler gemeinsam ein Einfamilienhaus. Dort hat sich Frau Emler einen Raum als Nähwerkstatt eingerichtet, in der sie gewerblich Kinderkleidung herstellt. Das Einfamilienhaus hat eine Wohnfläche von insgesamt 210 qm, die Werkstatt ist 20 qm groß.
a) Frau Emler nutzte die Werkstatt unentgeltlich.
b) Das Haus gehörte nur Herrn Emler, Frau Emler zahlte Miete für den Raum.
zu a): Es überwiegt die Wohnnutzung, die unentgeltliche gewerbliche Mitbenutzung ist deshalb unschädlich. Die Steuerbefreiung gilt deshalb für die ganze Wohnung.
zu b): Die entgeltliche gewerbliche Mitbenutzung führt dazu, dass die Steuerbefreiung nur für den als Wohnung genutzten Teil des Hauses gilt, nicht jedoch für die Nähwerkstatt. Steuerfrei erbt Frau Emler also nur 190 qm (= 210 qm – 20 qm).
Wann fällt die Steuerbefreiung weg?
Selbst wenn alle Voraussetzungen für die Steuerbefreiung für ein Familienheim erfüllt waren, kann diese nachträglich wegfallen. Hier ein Überblick der wichtigsten Fälle:
- Der Erbe nutzt die Wohnung als Zweit- oder Ferienwohnung.
- Der Erbe nutzt die Wohnung weniger als zehn Jahre selbst als Wohnung und es liegt kein zwingender Grund vor, der ihn an der Selbstnutzung hindert (z.B. Pflegebedürftigkeit).
- Der Erbe muss das Eigentum an der Wohnung auf eine andere Person übertragen, weil dies der Erblasser so verfügt hat.
- Der Erbe überträgt seinen Anteil an der Wohnung im Rahmen der Teilung des Nachlasses auf einen Miterben.
- Der Erbe nimmt an der Wohnung erhebliche Veränderungen vor.
Unschädlich ist jedoch zum Beispiel ein Dachgeschossausbau, ein Anbau, der Verkauf einer unbebauten Grundstücksfläche oder die Begründung von Wohneigentum. - Der Erbe nutzt die Wohnung nicht (mehr) selbst, sondern überlässt sie unentgeltlich einem nahen Angehörigen zur Nutzung.
Begünstigt ist laut Gesetz ausdrücklich nur das Eigentum, nicht jedoch die Zuwendung eines dinglichen Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts an einer Wohnung. Deshalb entfällt auch in diesen Fällen die Steuerbefreiung:
- Der erbende Ehegatte überträgt das Eigentum an der Wohnung auf ein Kind und sichert sich im Gegenzug ein lebenslanges Wohnrecht.
- Die erbenden Kinder nutzen die Wohnung nicht selbst, sondern räumen dem überlebenden Elternteil ein lebenslanges Wohnrecht ein.
Fällt die Steuerbefreiung weg, wird aus dem steuerfreien Erwerb ein steuerpflichtiger – und das mit Wirkung für die Vergangenheit! Das kann dazu führen, dass das Finanzamt rückwirkend Erbschaftssteuer festsetzt, falls der persönliche Freibetrag nicht ausreichen sollte.
An die Spielregeln halten lohnt sich
Bei der letzten Reform der Erbschaftssteuer war die Steuerbefreiung für Familienheime eigentlich gar nicht vorgesehen – sie fand erst über Umwege den Eingang in das Gesetzgebungsverfahren. Wohl deshalb sind die Hürden für diese Steuerbefreiung letztlich ziemlich hoch ausgefallen. Dies hat zur Folge, dass die erbenden Ehepartner und Kinder nicht wirklich frei über ihr Eigentum verfügen können, wollen sie die Steuerbefreiung nicht aufs Spiel setzen. Je höher der Wert des Hauses jedoch ist, desto mehr lohnt es sich aber, sich an die Spielregeln zu halten. Da die Steuerbefreiung für Ehegatten wertmäßig nämlich überhaupt nicht begrenzt ist, können selbst millionenschwere Luxus-Villen steuerfrei geerbt werden. Und auch Kinder können trotz der 200 qm-Grenze ziemlich viel steuerfrei erben.
So großzügig der Gesetzgeber (zumindest in diesem Punkt) war, von Finanzverwaltung und Rechtsprechung kann man dies nicht erwarten. Sie legen das Gesetz streng aus und zeigen sich wenig kulant gegenüber Erben, die sich nicht an die Spielregeln halten – abzulesen insbesondere an den zahlreichen Urteilen des Bundesfinanzhofs, die zu Ungunsten der Erben ausfielen.