Steuerpflichtiger Erwerb: Wer was in welcher Höhe versteuern muss

Steht fest, dass sowohl eine sachliche als auch eine persönliche Steuerpflicht vorliegt, folgt im zweiten Schritt die Wertermittlung. Zum einen wird hierbei der Wert des Erbes ermittelt, zum anderen gilt es aber auch, die zahlreichen Steuerbefreiungen zu berücksichtigen. Wer von seinen Eltern ein kleines Häuschen im Wert von 250.000 Euro und Bargeld in Höhe von 10.000 Euro erbt, muss deshalb nicht befürchten, dass er sich das Erbe nicht leisten kann – zumindest aus steuerlicher Sicht.

 

So wird der steuerpflichtige Erwerb berechnet

Um herauszufinden, was denn unter einen „steuerpflichtigen Erwerb“ zu verstehen ist, hilft der Blick ins Gesetz wenig weiter. Nicht, dass dort nichts geregelt wäre. Im Gegenteil, Regelungen gibt es zuhauf. Nur: In dem Paragrafendschungel findet man sich kaum zurecht. Ein Laie ist da schnell überfordert.

Für Erben ist vor allem dieser Satz wichtig: „Als steuerpflichtiger Erwerb gilt die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist […]“ (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG).

Gut zu wissen:

Steuerpflichtig ist nicht das Vermögen des Erblassers an sich, sondern nur die „Bereicherung“ des Erben. Darunter versteht man den tatsächlichen Vermögenszuwachs. Alle Kosten rund um die Erbschaft darf der Erbe abziehen, sie mindern das Vermögen und damit die Bereicherung. Das Gleiche gilt für die diversen Steuerbefreiungen. Im Ergebnis unterliegt damit quasi nur das Netto der Erbschaft der Erbschaftssteuer.

Erfreulicherweise hat die Finanzverwaltung in den Richtlinien zur Erbschaftssteuer ein ausführliches Berechnungsschema veröffentlicht (R E 10.1 ErbStR):

1. Steuerwert des Wirtschaftsteils des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens 
 +Steuerwert des Betriebsvermögens 
 +Steuerwert der Anteile an Kapitalgesellschaften 
  Zwischensumme 
 -Befreiungen für Betriebsvermögen, Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, Anteile an Kapitalgesellschaften und Verschonungsabschlag bei Großerwerben von begünstigtem Vermögen§§ 13a, 13c ErbStG
 -Befreiungen Grundbesitz und Gegenstände, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt§ 13 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ErbStG
 -Befreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke§ 13d ErbStG
 +Steuerwert des Wohnteils und der Betriebswohnungen des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens 
 -Befreiungen für begünstigtes Familienheim und Grundbesitz und Gegenstände, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt§ 13 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4b und 4c ErbStG
 -Befreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke§ 13d ErbStG
 +Steuerwert des Grundvermögens 
 -Befreiungen für begünstigtes Familienheim und Grundbesitz und Gegenstände, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt§ 13 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4a bis 4c ErbStG
 -Befreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke§ 13d ErbStG
 +Steuerwert des übrigen Vermögens 
 -Befreiungen Hausrat, Wäsche und Kleidung und Grundbesitz und Gegenstände, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt§ 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ErbStG
 =Vermögensanfall nach Steuerwerten 
2. Steuerwert der Nachlassverbindlichkeiten, soweit nicht vom Abzug ausgeschlossen, mindestens Pauschbetrag für Erbfallkosten (einmal je Erbfall) 
 =abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten 
3. Vermögensanfall nach Steuerwerten (1.) 
 -abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten (2.) 
 -weitere Befreiungen (z.B. bis zu 20.000 Euro für Personen, die den Erblasser unentgeltlich gepflegt haben§ 13 ErbStG
 =Bereicherung des Erwerbers 
4. Bereicherung des Erwerbers (3.) 
 -steuerfreier Zugewinnausgleich§ 5 Abs. 1 ErbStG
 +hinzuzurechnende Vorerwerbe§ 14 ErbStG
 -persönlicher Freibetrag§ 16 ErbStG
 -besonderer Versorgungsfreibetrag§ 17 ErbStG
 =steuerpflichtiger Erwerb (abzurunden auf volle hundert Euro) 

Anmerkung: Betriebsvermögen und land- und forstwirtschaftliches Vermögen bleiben im Folgenden außen vor. Der Fokus liegt auf geerbtem Privatvermögen.

Wichtige Rechtsänderung: Steuererstattungsansprüche des Erblassers

Steuererstattungsansprüche gehören zum Nachlass, selbst wenn sie rechtlich erst nach dem Tod des Erblassers entstanden sind. Dies ist mit Wirkung ab 29.12.2020 ausdrücklich gesetzlich geregelt (§ 10 Abs. 1 Satz 3 EStG).

Bisher galt: Steuererstattungsansprüche aus dem Todesjahr des Erblassers gehörten nicht zum steuerpflichtigen Erwerb (R E 10.3 ErbStR 2019). Diese Regelung ist jedoch durch die gesetzliche Änderung überholt.

Beispiel:

Der Erblasser stirbt im Jahr 2021. Sein Sohn ist alleiniger Erbe. Aus dem Jahr 2020 gibt es noch eine Einkommensteuerschuld in Höhe von 3.000 Euro, die noch nicht bezahlt ist. Nachdem der Sohn für seinen Vater die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2021 gefertigt hat, ergibt sich eine Steuererstattung von 1.000 Euro.

Die Steuerschulden sind als Nachlassverbindlichkeiten abziehbar. Die Steuererstattung aus dem Todesjahr des Erblassers rechnet das Finanzamt dem Erben als Bereicherung zu.

Nur ein Schritt von mehreren

Wenn der steuerpflichtige Erwerb feststeht, weiß man leider noch lange nicht, wie viel Erbschaftssteuer fällig wird. Dafür sind weitere Rechenschritte nötig, die in den entsprechenden Kapiteln erläutert werden. Bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs geht es allein darum, festzustellen, ob von der Erbschaft nach Abzug aller Steuerbefreiungen und Nachlassverbindlichkeiten überhaupt etwas zum Versteuern übrig bleibt.

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