Vor- und Nacherbschaft: Das Erbe nach dem Erbe

Der Erblasser kann festlegen, dass erst eine Person Erbe wird und unter bestimmten Voraussetzungen danach eine andere Person das Vermögen erbt. Dies nennt man Vorerbschaft und Nacherbschaft. Wer von wem was erbt, muss sowohl zivilrechtlich als auch erbschaftssteuerrechtlich betrachtet und beurteilt werden.

Was sind Vorerben und Nacherben?

Der Erblasser kann einen Erben (= Nacherbe) mit der Vorgabe einsetzen, dass dieser erst dann Erbe wird, nachdem zunächst ein anderer Erbe (= Vorerbe) geworden ist (§ 2100 BGB).

Diese Vor- und Nacherbschaft legt der Erblasser insbesondere durch Testament fest. Das Besondere daran: Sowohl Vorerbe als auch Nacherbe erben – zivilrechtlich gesehen – von demselben Erblasser und dasselbe Vermögen. Sie erben jedoch nicht gleichzeitig als Erbengemeinschaft, sondern nacheinander.

Beispiel:

Der Erblasser bestimmt in seinem Testament, dass erst seine Tochter Erbin werden soll. Nach deren Tod soll sein Neffe Erbe sein. In diesem Fall ist die Tochter die Vorerbin, der Neffe der Nacherbe.

Vermögen von Erblasser und Vorerbe muss getrennt betrachtet werden

Der Nacherbe erbt vom Vorerben das Vermögen des Erblassers. Das eigene Vermögen des Vorerben geht an dessen Erben. Die Nacherben und die Erben des Vorerben können verschiedene Personen, aber auch identisch sein.

Beispiel:

Der Erblasser setzt seine Tochter als Vorerbin sein. Als Nacherbe nach deren Tod bestimmt er seinen Neffen. Die Tochter hat zwei Kinder. Nach dem Tod der Tochter geht ihr eigenes Vermögen an ihre beiden Kinder als gesetzliche Erben. Der Neffe erhält als Nacherbe das Vermögen des Erblassers von der Vorerbin.

Wann tritt die Nacherbfolge ein?

Der Erblasser kann selbst bestimmen, zu welchem Zeitpunkt oder bei welchem Ereignis die Nacherbschaft wirksam und damit die Nacherbfolge eintreten soll (§ 2106 BGB).

Diese Ereignisse bzw. Zeitpunkte sind zum Beispiel möglich:

  • Der Vorerbe stirbt.
  • Der überlebende Ehegatte (Vorerbe) heiratet wieder.
  • Ein Kind (Nacherbe) wird volljährig.
  • Der Nacherbe wird geboren.
  • Der Vorerbe schlägt sein Erbe aus.

Hat der Erblasser keine Bestimmung bezüglich Zeitpunkt oder Ereignis getroffen, erbt der Nacherbe immer mit dem Tod des Vorerben.

Wann ist der Vorerbe erbschaftssteuerpflichtig?

Mit dem Tod des Erblassers tritt der Vorerbfall ein. Der Vorerbe ist steuerlich der Erbe des Erblassers und wird als solcher besteuert. Er ist auch Schuldner der Erbschaftssteuer.

Dass eine Nacherbschaft vom Erblasser bestimmt wurde, spielt hier keine Rolle. Insbesondere sind Verfügungsbeschränkungen, die sich für den Vorerben zivilrechtlich bezüglich des Nachlasses ergeben, nicht erbschaftssteuermindernd zu berücksichtigen.

Der Vorerbe darf aber die durch die Vorerbschaft veranlasste Steuer dem Nachlass entnehmen (§ 20 Abs. 4 ErbStG).

Für den Nacherben entsteht zu diesem Zeitpunkt noch kein steuerpflichtiger Erwerb.

Wann ist der Nacherbe erbschaftssteuerpflichtig?

Bezüglich des Nacherben entsteht die Erbschaftssteuer erst mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbfolge.

Zu unterscheiden ist hier, ob der Nacherbfall durch den Tod des Vorerben eintritt oder aufgrund eines anderen Ereignisses.

Nacherbfall durch Tod des Vorerben

Tritt der Nacherbfall durch den Tod des Vorerben ein, erbt der Nacherbe – aus erbschaftssteuerlicher Sicht – vom Vorerben. Das bedeutet, dass insbesondere der persönliche Freibetrag, die Steuerklasse und der Steuersatz von dem Verhältnis des Nacherben zum Vorerben abhängen.

Beispiel:

Die verwitwete Erblasserin setzt per Testament ihre Tochter als Vorerbin ein. Nach dem Tod der Tochter soll der Enkel, also der Sohn der Tochter, Nacherbe sein.

Erbschaftssteuerlich erbt zunächst die Tochter von ihrer Mutter als Vorerbin. Es gilt die Steuerklasse I und der persönliche Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro.

Mit dem Tod der Tochter tritt der Nacherbfall ein. Zivilrechtlich erbt der Enkel das Vermögen der Erblasserin. Erbschaftssteuerlich ist der Enkel als Nacherbe jedoch nicht Erbe der Erblasserin, sondern Erbe der Tochter, also seiner Mutter. Deshalb gilt auch für seinen Erwerb als Nacherbe die Steuerklasse I und ein persönlicher Freibetrag von 400.000 Euro.

Gut zu wissen:

Der Nacherbe kann beantragen, dass bei der Besteuerung das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde gelegt wird. Das macht natürlich nur dann Sinn, wenn dies zu einer niedrigeren Erbschaftssteuer führt, also der Nacherbe zum Erblasser in einem günstigeren Verhältnis steht als zum Vorerben (§ 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG).

Beispiel:

Die Ehefrau setzt als Vorerben ihren Ehemann ein. Nacherbin soll die Schwester der Ehefrau sein.

Die Schwester der Ehefrau ist die Schwägerin des Vorerben, damit gelten für sie die Steuerklasse III und ein persönlicher Freibetrag von 20.000 Euro.

Stellt die Nacherbin dagegen den Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG, zählt ihr Verhältnis zur Erblasserin. Als Schwester gilt für die Nacherbin dann die Steuerklasse II. Sie profitiert damit insbesondere von geringeren Steuersätzen als in Steuerklasse III. Der persönliche Freibetrag beträgt allerdings in Steuerklasse II auch nur 20.000 Euro.

Bevor der Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG gestellt wird, sollte man sorgfältig rechnen, ob dadurch tatsächlich eine geringere Besteuerung erreicht werden kann.

Nacherbfall durch Eintritt der Bedingung

Tritt die Nacherbfolge nicht durch den Tod des Vorerben ein, sondern durch das vom Erblasser bestimmte Ereignis oder zu dem vom Erblasser bestimmten Zeitpunkt, gilt: Die Vorerbfolge ist ein sogenannter auflösend bedingter Erwerb, die Nacherbfolge ein aufschiebend bedingter Erwerb.

Das bedeutet: Zunächst wird der Vorerbe erbschaftssteuerlich Erbe des Erblassers. Diese Eigenschaft als Erbe endet, sobald der Zeitpunkt oder das Ereignis eintritt. Dann wird der Nacherbe zum Erben, sein Erbe ist quasi aufgeschoben bis zum Eintritt der Bedingung.

Wichtig:

In diesem Fall gilt der Nacherbe nicht nur zivilrechtlich, sondern auch erbschaftssteuerlich als der Erbe des Erblassers und nicht als der Erbe des Vorerben. Dementsprechend zählt für die Steuer immer das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser.

Gut zu wissen:

Es besteht hier keine Möglichkeit, einen Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG zu stellen. Der Nacherbe kann also nicht nach dem Verhältnis zum Vorerben besteuert werden. Dieses Wahlrecht gilt nur bei Tod des Vorerben.

Beispiel:

Die Erblasserin setzt als Vorerben ihren Sohn ein, als Nacherbin ihre Enkelin, also die Tochter ihres Sohnes. Die Nacherbfolge soll mit dem 18. Geburtstag der Enkelin eintreten.

An diesem Tag erbt die Enkelin als Erbin der Erblasserin. Damit gilt für die Enkelin Steuerklasse I Nr. 3 und – da ihr Vater noch lebt – ein persönlicher Freibetrag von 200.000 Euro.

Zwar wäre es günstiger, wenn die Enkelin vom Vorerben, ihrem Vater, erben würde. Das würde Steuerklasse I Nr. 2 und einen persönlichen Freibetrag von 400.000 Euro bedeuten. Ein entsprechender Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG ist hier jedoch ausgeschlossen.

Macht eine Vor- und Nacherbschaft überhaupt Sinn?

Der Vorteil einer Vor- und Nacherbschaft liegt sicherlich darin, dass der Erblasser über einen längeren Zeitraum hinweg festlegen kann, wer sein Vermögen erbt. Ob sich dies steuerlich jedoch lohnt, sollte vorab sorgfältig geprüft werden. Zivilrechtlich ergeben sich für den Vorerben bestimmte Verfügungsbeschränkungen, die mitunter zu einer Ausschlagung der Erbschaft durch den Vorerben und dadurch zu einer vorgezogenen Nacherbfolge führen – was vom Erblasser eventuell gar nicht gewünscht war. Deshalb sollten Alternativen zur Vor- und Nacherbschaft in Betracht gezogen werden, wie das Berliner Testament, Vermächtnisse oder die Einräumung von Nießbrauchs- und Wohnrechten, die im Einzelfall zu steuerlich günstigeren Ergebnissen führen können.