Geschwister: Für sie gibt es nur einen kleinen Freibetrag

Während Ehegatten, Kinder und Eltern in der Steuerklasse I von relativ hohen persönlichen Freibeträgen profitieren können, finden sich Geschwister in der Steuerklasse II wieder – wo der persönliche Freibetrag deutlich bescheidener ausfällt.

 

So hoch ist der persönliche Freibetrag

Der persönliche Freibetrag beträgt für

VerwandschaftsgradFreibetragFundstelle
Geschwister (Bruder / Schwester)20.000 Euro§ 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG

Geschwister können keinen besonderen Versorgungsfreibetrag in Anspruch nehmen.

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Was sind eigentlich „Geschwister“?

Leibliche Kinder, die jeweils zwei gemeinsame Elternteile haben, sind Geschwister.

Haben die Kinder nur ein Elternteil gemeinsam, handelt es sich bei diesen Halbgeschwistern ebenfalls um Geschwister. Dabei spielt es keine Rolle, ob es eheliche oder nichteheliche Elternteile sind.

Adoptieren die Eltern ein Kind, ist dieses adoptierte Kind ein Geschwisterkind im Verhältnis zu leiblichen Kindern der Eltern. Mehrere adoptierte Kinder sind untereinander ebenfalls Geschwister.

Pflegekinder sind dagegen keine Geschwister.

Besonderheit Stiefgeschwister

Und was gilt bei einer Patchwork-Familie, in die jeder Partner seine eigenen Kinder mitbringt? Diese Stiefgeschwister sind nicht blutsverwandt und gelten im Erbrecht deshalb nicht als Geschwister – es sei denn, der jeweils andere Partner adoptiert sie.

Das bedeutet, Stiefkinder besitzen kein gesetzliches Erbrecht gegenüber den Stiefeltern und den Stiefgeschwistern. Sie können also nur erben, wenn sie testamentarisch als Erben eingesetzt werden.

Aber: Es gibt gute Gründe, Stiefgeschwister im Rahmen der Erbschaftssteuer als „Geschwister“ und damit in Steuerklasse II einzuordnen – und nicht als „andere Personen“ in Steuerklasse III.

Zum einen gilt der Ehegatte eines Stiefkindes, also das Stiefschwiegerkind, erbschaftssteuerlich als Schwiegerkind (und die gehören zu Steuerklasse II). Zum anderen hat der Gesetzgeber Stiefkinder in die gleiche Steuerklasse wie leibliche Kinder eingeordnet und insoweit gleichberechtigt (beide gehören zu Steuerklasse I). Darüber hinaus sind Stiefkinder von Geschwistern des Erblassers den leiblichen Kindern der Geschwister gleichgestellt, sodass diese gleichberechtigt erben (beide gehören als „Abkömmlinge 1. Grades von Geschwistern“ zu Steuerklasse II).

Und die Finanzverwaltung sagt sogar ausdrücklich: Der Begriff „Kind“ setzt erbschaftssteuerlich das Bestehen verwandtschaftlicher Verhältnisse im zivilrechtlichen Sinne nicht zwingend voraus (H E 15.1 ErbStH).

Daraus folgt: Wenn Stiefkinder in den dargestellten entfernteren Verwandtschaftsgraden leiblichen Kindern gleichgestellt sind, muss das auch im direkten Verhältnis der Stiefgeschwister gelten. Stiefgeschwister erben unseres Erachtens also untereinander in der Steuerklasse II.

Beispiel:

Konstanze ist Teil einer großen Familie. Sie ist verheiratet, hat zwei leibliche Kinder und ein Stiefkind, das ihr zweiter Ehemann mit in die Ehe gebracht hat. Konstanzes Schwester hat ein leibliches Kinder und ein Stiefkind. Konstanze hat noch einen Stiefbruder, der alleinstehend ist. Per Testament setzt Konstanze nicht nur ihren Ehemann und die Kinder, sondern auch ihre Geschwister und die Nichten und Neffen als Erben ein.

Diese Freibeträge können die Erben in Anspruch nehmen:

Ehemann von Konstanze (Steuerklasse I)500.000 Euro
leibliche Kinder von Konstanze (Steuerklasse I)400.000 Euro
Stiefkind von Konstanze (Steuerklasse I)400.000 Euro
Schwester von Konstanze (Steuerklasse II)20.000 Euro
leibliches Kind der Schwester (Steuerklasse II)20.000 Euro
Stiefkind der Schwester (Steuerklasse II)20.000 Euro
Stiefbrufer (Steuerklasse II)20.000 Euro

Gut zu wissen:

Gehören Stiefgeschwister in Steuerklasse II oder III? Auch wenn der Freibetrag in beiden Steuerklassen 20.000 Euro beträgt, ist diese Frage nur auf den ersten Blick irrelevant. Denn: In Steuerklasse III ist der Steuersatz deutlich höher als in Steuerklasse II. Liegt der steuerpflichtige Erwerb nach Abzug der Freibeträge zum Beispiel bei 10.000 Euro, müsste ein Erbe der Steuerklasse II 15 % Steuern zahlen (= 1.500 Euro), ein Erbe der Steuerklasse III 30 % (= 3.000 Euro), also das Doppelte. Die Frage nach der Steuerklasse ist also tatsächlich absolut relevant.

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Geschwister stehen in Sachen Freibetrag nicht besser da als fremde Personen

Eigentlich gehören Geschwister zum engsten Familienkreis. Immerhin verbringt man normalerweise mit dieser Person seine gesamte Kindheit und wird gemeinsam erwachsen. In Sachen Erbrecht sind Geschwister aber nicht in gerader Linie verwandt, sondern in der Seitenlinie. In dieser Seitenlinie gibt es keine Verwandtschaft 1. Grades, sodass Geschwister untereinander im 2. Grad in der Seitenlinie verwandt sind (§ 1589 BGB). Das klingt so, als wäre man nur über drei Ecken miteinander verwandt. Die Erbschaftssteuer geht sogar noch einen Schritt weiter Richtung „Entfremdung“ und gewährt den Geschwistern nur den Freibetrag, der auch einer fremden Person zusteht, die gar nicht zur Familie gehört. Das wird dem Stellenwert der Familie, den sie insbesondere durch das Grundgesetz genießt, nicht gerecht. Bis jetzt macht der Gesetzgeber aber keine Anstalten, die Freibeträge für Geschwister zu erhöhen.