Pflege- und Unterhaltsleistungen: Unter welchen Voraussetzungen bis zu 20.000 Euro steuerfrei sind

Wer eine andere Person pflegt und nach deren Tod erbt oder ein Vermächtnis erhält, kann einen Freibetrag von bis zu 20.000 Euro geltend machen – wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. So muss die Pflege zum Beispiel unentgeltlich oder gegen ein zu geringes Entgelt erfolgen.

Das sind die Voraussetzungen für den Pflegefreibetrag

Ein Erwerb von Todes wegen, zum Beispiel durch Erbe oder Vermächtnis, bleibt unter diesen Voraussetzungen bis zu 20.000 Euro steuerfrei (§ 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG): 

  • Der Erwerber ist eine Person, die dem Erblasser Pflege oder Unterhalt gewährt hat.
  • Die Pflege bzw. der Unterhalt erfolgte unentgeltlich oder gegen ein unzureichendes, also zu geringes Entgelt.
  • Das Zugewendete ist als angemessenes Entgelt anzusehen.

Praxistipp:

Der Pflegefreibetrag ist keine Pauschale, sondern beträgt bis zu 20.000 Euro. Das bedeutet, je nach Dauer und Umfang der Pflegeleistungen kann er auch niedriger ausfallen.

Welche Personen den Pflegefreibetrag beanspruchen können

Sowohl Personen, die gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet sind, als auch entfernte Verwandte oder fremde Personen können die Steuerbefreiung beanspruchen. Das sind also zum Beispiel Ehepartner, eingetragene Lebenspartner, Kinder, Eltern, Geschwister, Nichten, Neffen, Nachbarn, Freunde usw. (R E 13.5 Abs. 1 ErbStR).

Praxistipp:

Vor ein paar Jahren war die Finanzverwaltung noch der Ansicht, dass Verwandte in gerader Linie, also insbesondere Eltern und Kinder, den Pflegefreibetrag nicht beanspruchen können. Denn sie wären ja verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren, wobei Pflegeleistungen mit umfasst wären. Zum Glück hat die Finanzverwaltung inzwischen ihre Meinung geändert und gewährt auch Verwandten in gerader Linie den Pflegefreibetrag (R E 13.5 Abs. 1 ErbStR).

Auch die Rechtsprechung ist auf der Seite der nahen Angehörigen (BFH, Urteil vom 10.5.2017, II R 37/15). Der Bundesfinanzhof bestätigt zwar, dass nach § 1601 BGB Verwandte in gerader Linie verpflichtet sind, einander Unterhalt zu gewähren. Dieser Verwandtenunterhalt besteht jedoch grundsätzlich aus Geldleistungen. Der Unterhaltspflichtige schuldet demnach nur die Gewährung von Barunterhalt zur Deckung des Lebensbedarfs, also einen bestimmten Geldbetrag zum Beispiel für Wohnung und Kleidung. Die Vorschrift des § 1601 BGB beinhaltet aber keine Verpflichtung zur persönlichen Pflege. Kinder sind deshalb nicht zur Erbringung einer persönlichen Pflegeleistung gegenüber den Eltern verpflichtet.

Zwar kann ein unterhaltspflichtiges Kind anstelle des Barunterhalts Naturalleistungen erbringen, die zum Beispiel auch in der Pflege eines Elternteils bestehen können (§ 1612 BGB). Aber: Diese Vorschrift ändert nichts daran, dass die Erbringung von persönlicher Pflege eine freiwillige Leistung ist.

Außerdem: Da unentgeltliche Pflegeleistungen üblicherweise innerhalb der Familie erbracht werden, würde die Freibetrags-Regelung ins Leere laufen, wenn man Verwandte in gerader Linie davon ausschließen würde.

Praxistipp:

Sollte das Finanzamt wider Erwarten den Pflegefreibetrag mit Hinweis auf die Unterhaltspflicht verweigern, kann man mit den genannten Quellen und Argumenten dagegen vorgehen.

Was bedeuten die Begriffe „Pflege“ und „Unterhalt“?

Die Rechtsprechung legt den im Gesetz genannten Begriff der „Pflege“ grundsätzlich weit aus (BFH, Urteil vom 10.5.2017, II R 37/15).

Pflege im Sinne der Erbschaftssteuer ist die regelmäßige und dauerhafte Fürsorge für das körperliche, geistige oder seelische Wohlbefinden einer hilfsbedürftigen Person. Die Hilfsbedürftigkeit muss aufgrund einer Krankheit, einer Behinderung, des Alters oder eines sonstigen Grundes bestehen. Die Pflege des Erblassers muss durch dessen Hilfsbedürftigkeit veranlasst sein. Nicht erforderlich ist jedoch, dass der Erblasser einen Pflegegrad hat.

Pflegeleistungen können zum Beispiel Hilfeleistungen sein bei 

  • der Körperpflege (z.B. Waschen, Duschen, Kämmen), 
  • der Ernährung (z.B. Zubereiten und Aufnahme der Nahrung), 
  • der Mobilität (z.B. An- und Ausziehen, Gehen, Stehen, Treppensteigen) und 
  • der hauswirtschaftlichen Versorgung (z.B. Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Wäsche waschen).

Unter dem Begriff „Unterhalt“ versteht man die Gewährung von Nahrung, Kleidung und Unterkunft. Diese Leistungen können als Naturalleistungen erbracht werden, zum Beispiel durch das Zurverfügungstellen einer Wohnung, oder als Barleistung, indem der entsprechende Geldbetrag gewährt wird.

Wie lange und wie oft muss die Pflegeleistung erbracht worden sein?

Die Pflege des Erblassers muss regelmäßig und über eine längere Dauer erfolgt sein. Was genau mit „regelmäßig“ und „längere Dauer“ gemeint ist, haben weder Rechtsprechung noch Finanzverwaltung verbindlich festgelegt. Das bedeutet, jeder Einzelfall muss für sich betrachtet und dabei müssen die jeweiligen Bedürfnisse des Erblassers berücksichtigt werden.

Wer zum Beispiel einen Elternteil bei sich zu Hause aufnimmt und jahrelang persönlich pflegt, wird keine Probleme haben, den Pflegefreibetrag in der vollen Höhe von 20.000 Euro zu beanspruchen. Kocht dagegen die Nachbarin ab und zu etwas für den Erblasser und bringt sie manchmal Lebensmittel vom Supermarkt mit, wird es eher schwierig werden, einen Pflegefreibetrag anerkannt zu bekommen.

Wann das Zugewendete ein angemessenes Entgelt ist

Voraussetzung für die Gewährung des Pflegefreibetrags ist, dass das Zugewendete als „angemessenes Entgelt“ für die gewährte Pflege anzusehen ist. Ein Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 2017 enthält einige wertvolle Erläuterungen, was als angemessen anzusehen ist (BFH, Urteil vom 10.5.2017, II R 37/15).

Ein angemessenes Entgelt ist die Zuwendung nur, soweit sie dem Betrag entspricht, den der Erblasser durch die Inanspruchnahme der Pflegeleistungen erspart hat. Der anzusetzende Freibetrag hängt insbesondere von Art, Dauer und Umfang der erbrachten Hilfeleistungen ab. Es kommt dabei im konkreten Einzelfall auf die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt der Pflegeleistung an.

Die Höhe des anzusetzenden Freibetrags bestimmt sich nach den gesamten Umständen des konkreten Einzelfalls. Zur Ermittlung des Werts der vom Erwerber erbrachten Pflegeleistungen können die jeweils für vergleichbare Leistungen zu zahlenden, üblichen Vergütungssätze entsprechender Berufsgruppen oder gemeinnütziger Vereine herangezogen werden. Der Erwerber kann aber einen höheren Wert seiner Leistungen nachweisen.

Praxistipp:

Bei Erbringung langjähriger, intensiver und umfassender Pflegeleistungen kann der Freibetrag auch in voller Höhe zu gewähren sein, ohne dass es eines Einzelnachweises zum Wert der Pflegeleistungen bedarf.

Wer also zum Beispiel ein Elternteil bei sich zu Hause aufnimmt und über einen Zeitraum von 11 Jahren auf eigene Kosten die Pflege übernimmt, erbringt unzweifelhaft Pflegeleistungen, deren Wert weit über dem Freibetrag von 20.000 Euro liegt. Ein Einzelnachweis der Pflegeaufwendungen ist hier dann nicht erforderlich.

Damit ist aber auch klar: Bei nur kurzer Pflegedauer oder geringen Pflegeleistungen gibt es den Pflegefreibetrag nicht in voller Höhe.

Wenn die Zuwendung gleichzeitig eine Nachlassverbindlichkeit ist

Die Steuerbefreiung kann nicht in Anspruch genommen werden, wenn es sich bei der Zuwendung des Erblassers um eine Erblasserschuld und damit um eine Nachlassverbindlichkeit handelt (R E 13.5 Abs. 2 ErbStR).

Eine solche Erblasserschuld entsteht, wenn die Zuwendung ganz oder zum Teil als Entgelt für eine vertraglich geschuldete und erbrachte Dienstleistung anzusehen ist. Der Erblasser und die pflegende Person müssen also einen Vertrag abschließen, in dem geregelt ist, dass die pflegende Person den Erblasser zu dessen Lebzeiten pflegt und das Entgelt in dem Versprechen des Erblassers besteht, die pflegende Person als Erbe einzusetzen, sodass diese das Entgelt für die Pflegeleistungen erst mit dem Tod des Erblassers erhält.

Das wird wahrscheinlich in den seltensten Fällen vorkommen. Denn Angehörige schließen normalerweise keinen Pflegevertrag ab, sondern pflegen im Rahmen eines bloßen Gefälligkeitsverhältnisses – und bei externen Pflegekräften mag zwar ein Vertrag vorliegen, diese werden sich jedoch kaum darauf einlassen, ihre Pflegeleistungen zunächst unentgeltlich zu erbringen.

Außerdem: Die Rechtsprechung stellt an den Nachweis eines solchen Dienstverhältnisses hohe Anforderungen. Insbesondere verlangt sie eine rechtlich bindende Einigung über die Vergütung. Mündliche Absprachen genügen nicht (BFH, Urteil vom 9.11.1994, II R 110/91).

Gibt es den Pflegefreibetrag zusätzlich zu anderen Steuerbefreiungen und dem persönlichen Freibetrag?

Jede Steuerbefreiung in § 13 ErbStG ist separat anwendbar. Das heißt, es können mehrere Steuerbefreiungen nebeneinander zur Anwendung kommen – natürlich soweit die jeweiligen Voraussetzungen vorliegen.

Der persönliche Freibetrag ist hier nicht tangiert, denn er kommt im Berechnungsschema erst später zur Anwendung. Das bedeutet, der Pflegefreibetrag und der persönliche Freibetrag schließen sich nicht aus, sondern können im Gegenteil beide berücksichtigt werden.

Beispiel:

Karl lebt seit mehr als 20 Jahren mit Elisabeth zusammen. Die beiden sind nicht verheiratet. Da Karl chronisch krank ist, kümmert sich Elisabeth um die Medikamentengabe und hilft ihm u.a. bei der Körperpflege.

Als Karl stirbt, hinterlässt er Elisabeth Bargeld in Höhe von 40.000 Euro. Elisabeth kann für die unentgeltliche Pflege von Karl zunächst den Pflegefreibetrag geltend machen. Aufgrund der langen Zeit der Pflege wird er hier in der vollen Höhe von 20.000 Euro gewährt werden.

Nach Abzug des Pflegefreibetrags verbleibt noch eine Bereicherung in Höhe von 20.000 Euro. Davon kann Elisabeth ihren persönlichen Freibetrag in Höhe von 20.000 Euro (Steuerklasse III) abziehen, sodass der steuerpflichtige Erwerb letztlich bei 0 Euro liegt.