Für Eigentumswohnungen kommen zwei Bewertungsverfahren infrage: das Vergleichsverfahren und das Sachwertverfahren. Welches zur Anwendung kommt, hängt davon ab, ob es für die Eigentumswohnung vergleichbare Kaufpreise anderer Wohnungen gibt oder nicht. Beim Sachwertverfahren gibt es ab 2023 einige Änderungen zu beachten. Beim Sachwertverfahren gibt es ab 2023 einige Änderungen zu beachten.
Was ist Wohneigentum bzw. Teileigentum?
Als Wohnungseigentum bezeichnet man das Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört.
Teileigentum ist das Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes in Verbindung mit dem Miteigentum an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört.
Beispiel:
In einem Gebäude befindet sich im Erdgeschoss ein gewerblich genutzter Verkaufsladen. In den Obergeschossen liegen Eigentumswohnungen. Herr Seitz ist Eigentümer des Ladens und einer Eigentumswohnung. Bezüglich der Wohnräume liegt Wohnungseigentum vor. Der Laden stellt Teileigentum dar, da er nicht zu Wohnzwecken dient.
Welches Verfahren gilt wann?
Grundsätzlich gibt es zwei Verfahren, mit denen Wohnungseigentum und Teileigentum bewertet werden können. Welches zum Zuge kommt, ist davon abhängig, ob für das Grundstück ein Vergleichswert vorliegt oder nicht:
- Es liegt ein Vergleichswert vor => es gilt das Vergleichswertverfahren.
- Es liegt kein Vergleichswert vor => es gilt das Sachwertverfahren.
Als Vergleichswert werden die Kaufpreise für Vergleichsgrundstücke herangezogen.
Von der Reihenfolge her ist zuerst zu prüfen, ob das Vergleichswertverfahren angewendet werden kann. Erst wenn dies nicht der Fall ist, kommt das Sachwertverfahren zur Anwendung.
Vergleichswertverfahren: So wird gerechnet
Beispiel (angelehnt an H B 183 (4) ErbStH):
Eine Eigentumswohnung im 1. Obergeschoss hat eine Wohnfläche von 75 qm. Sie befindet sich im Stadtbezirk A in guter Wohnlage. Das Gebäude wurde 2009 errichtet. Auf die Wohnung entfällt ein Anteil von 50 qm an dem Grundstück. Der Bodenrichtwert liegt bei 500 Euro/qm.
Der Grundstücksmarktbericht des örtlichen Gutachterausschusses für Grundstückswerte enthält im Zusammenhang mit der Darstellung von Vergleichsfaktoren für Wohnungseigentum u.a. folgende Angaben:
1. Definition der Musterwohnung:
- Größe (Wohnfläche): 80 qm
- Geschosslage: 1. Obergeschoss
- Ausstattung: durchschnittlich (mittel)
- Unterhaltungszustand: baujahrtypisch
- Vermietung: unvermietet
- Garage/Stellplatz: nicht enthalten
2. Vergleichsfaktoren je Quadratmeter Wohnfläche
Die Werte sind umgerechnet auf die definierte Musterwohnung. | Baujahrsklasse | ||
1980 bis 2000 | 2001 bis 2020 | ||
Stadtbezirk | Wohnlage | Euro/qm Wohnfläche | |
A | gut | 1.700 | 1.800 |
mittel | 1.500 | 1.650 | |
einfach | 1.350 | 1.500 | |
B | gut | 1.900 | 1.850 |
mittel | 1.700 | 1.650 | |
einfach | 1.500 | 1.550 | |
Garagen und Stellplätze sind bei diesen Werten nicht berücksichtigt. |
3. Anwendung der Vergleichsfaktoren auf die zu bewertende Wohnung
Die zu bewertende Eigentumswohnung ist von der Wohnfläche her zwar etwas kleiner als die Musterwohnung. Da die Abweichung aber nicht mehr als 20 % beträgt, kann der Grundbesitzwert unmittelbar durch die Anwendung des Vergleichsfaktors ermittelt werden. Der Grundbesitzwert beträgt:
75 qm Wohnfläche × 1.800 Euro/qm = 135.000 Euro
Bewertung Grund und Boden:
Bodenwert = Fläche des Grundstücks (anteilig) × Bodenrichtwert
50 qm × 500 Euro/qm = 25.000 Euro
Insgesamt beträgt der Wert des Wohneigentums damit 160.000 Euro (= 135.000 Euro + 25.000 Euro).
Sachwertverfahren: So wird gerechnet
Beispiel:
Eine Eigentumswohnung befindet sich in einem Mehrfamilienhaus mit insgesamt 10 Wohnungen. Sie hat eine Wohnfläche von 75 qm. Dies entspricht einer Brutto-Grundfläche von 116,25 qm (75 qm Wohnfläche × 1,55 nach Anlage 24 zum BewG). Vergleichspreise liegen nicht vor. Die weiteren Eckdaten:
Baujahr: 2009
wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer (Anlage 22 zum BewG): 80 Jahre
Restnutzungsdauer im Bewertungsjahr 2023: 66 Jahre
Standardstufe 5: Die Regelherstellungskosten betragen 1.105 Euro/qm Brutto-Grundfläche.
Bodenrichtwert: 500 Euro/qm
Größe Grundstück entsprechend dem Miteigentumsanteil: 50 qm
Baupreisindex (für 2023): 164,0
Regionalfaktor: 1,0
Alterswertminderungsfaktor: Restnutzungsdauer/wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer = 66/80 = 0,825
Beim Sachwertverfahren werden Gebäude und Grund und Boden getrennt bewertet (§ 189 Abs. 1 BewG):
- Die Bewertung des Grund und Bodens erfolgt wie bei einem unbebauten Grundstück.
- Für die Bewertung des Gebäudes wird ein Gebäudesachwert ermittelt.
So wird im Rahmen der Bewertung für das Jahr 2023 gerechnet:
Bewertung Grund und Boden:
Bodenwert = Fläche des Grundstücks × Bodenrichtwert
50 qm × 500 Euro/qm = 25.000 Euro
Bewertung Gebäude:
Regelherstellungskosten | 1.105 Euro/qm |
× Brutto-Grundfläche | × 116,25 qm |
x Baupreisindex | × 164,0/100 |
= durchschnittliche Herstellungskosten des Gebäudes | = 210.668,25 Euro |
x Regionalfaktor | x 1,0 |
x Alterswertminderungsfaktor | x 0,825 |
= Gebäudesachwert | = 173.801,31 Euro |
Gebäudesachwert | 173.801,31 Euro |
+ Bodenwert | + 25.000 Euro |
= Vorläufiger Sachwert | = 198.801,31 Euro |
× Wertzahl | × 1,5 |
= Sachwert | = 298.201,97 Euro |
Fazit
Im Beispielsfall wäre die Bewertung durch das Vergleichswertverfahren deutlich günstiger für den Erwerber. Durch die hohe Standardstufe ergibt sich im Sachwertverfahren ein viel höherer Wert für die gleiche Wohnung.
In der Praxis kann die Abweichung unter Umständen etwas oder sogar deutlich geringer sein – oder sogar noch höher. Da kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an.