Nießbrauch: So funktioniert die Bewertung und die Berechnung der Erbschaftssteuer

Wenn ein größeres Vermögen vererbt wird, ist die Belastung mit Erbschaftssteuer für die Erben teils erheblich. Ein Nießbrauch kann hier Steuern sparen. Und zusätzlich wird durch ein Nießbrauchsvermächtnis der überlebende Ehegatte oder ein anderer naher Angehöriger für das Alter abgesichert. Dann gilt es nur noch, die richtige Art der Besteuerung zu wählen.

Was ist ein Nießbrauch?

Ein Nießbrauch ist das Recht, die Nutzungen einer Sache zu ziehen. Dem Nießbrauchsberechtigten stehen also die Erträge zu, die diese Sache erbringt, und er hat auch das Besitzrecht an der Sache. Besteht zum Beispiel der Nießbrauch an einem vermieteten Grundstück, darf der Nießbrauchsberechtigte die Miete vereinnahmen. Eigentümer ist und bleibt der Nießbrauchsverpflichtete.

Wann der Nießbrauch für die Erbschaftssteuer relevant ist

Der Nießbrauch wird für die Erbschaftssteuer relevant, wenn der Erblasser bestimmt hat, dass nach seinem Tod zugunsten einer bestimmten Person – dem Nießbrauchsberechtigten – ein Nießbrauchsrecht eingeräumt wird. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes Nießbrauchsvermächtnis. Dieses unterliegt beim Erwerber, also dem Nießbrauchsberechtigten, als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftssteuer (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Der Erbe kann die Verpflichtung aus dem Vermächtnis als Nachlassverbindlichkeit geltend machen und so die steuerpflichtige Bereicherung und damit letztlich auch die Erbschaftssteuer mindern (§ 10 Abs. 1 Satz 5 ErbStG, § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG).

Beispiel:

Erwin setzt seine Tochter Tamara als Alleinerbin ein. Sein Sohn Simon erhält das Nießbrauchsrecht an einem Grundstück mit vermietetem Mehrfamilienhaus. Bei Simon unterfällt das Nießbrauchsvermächtnis an dem Mehrfamilienhaus der Erbschaftssteuer. Tamara kann die Verpflichtung aus dem Vermächtnis als Nachlassverbindlichkeit abziehen.

Bei Simon unterfällt das Nießbrauchsvermächtnis an dem Mehrfamilienhaus der Erbschaftssteuer.

Tamara kann die Verpflichtung aus dem Vermächtnis als Nachlassverbindlichkeit abziehen.

Der Nießbrauch spielt für die Erbschaftssteuer aber auch dann eine Rolle, wenn ein Grundstück vererbt wird, das bereits zu Lebzeiten des Erblassers mit einem Nießbrauch belastet wurde.

In diesem Fall erwirbt die nießbrauchsverpflichtete Person – das ist der Erbe – das mit einem Nießbrauch belastete Grundstück. Es liegt ein Erwerb von Todes wegen vor, der in den Anwendungsbereich der Erbschaftssteuer fällt.

Aber der Erbe kann bei der Ermittlung der steuerpflichtigen Bereicherung die Belastung durch den Nießbrauch abziehen, und zwar in Höhe des entsprechenden Kapitalwertes des Nießbrauchs. Der Nießbrauch wirkt sich damit im Ergebnis steuermindernd aus.

Beispiel:

Adam hat zu Lebzeiten seinem Neffen den Nießbrauch an einem Grundstück eingeräumt. Nach dem Tod von Adam erbt dessen Tochter u.a. das mit dem Nießbrauch belastete Grundstück als Alleinerbin. Den Kapitalwert des Nießbrauchs darf die Tochter von der steuerpflichtigen Bereicherung abziehen.

Bewertung des Nießbrauchs: So wird gerechnet

Das Nießbrauchsrecht ist ein Recht auf wiederkehrende Nutzungen. Deshalb erfolgt die Bewertung nach dieser Formel (H B 13 ErbStH):

Kapitalwert des Nießbrauchs = Jahreswert × Vervielfältiger

Daraus ergeben sich diese drei Rechenschritte: 

  1. Jahreswert ermitteln
  2. Vervielfältiger bestimmen
  3. Kapitalwert für Nießbrauchsrecht berechnen

zu Schritt 1: Jahreswert ist der Wert der Nutzung während eines Jahres. Zugrunde zu legen ist hier der sogenannte Reinertrag. Diesen erhält man, indem man von den Einnahmen die vom Nießbraucher zu tragenden Kosten abzieht. Dabei ist zu beachten, dass der Jahreswert der Höhe nach begrenzt ist, und zwar auf den Wert, der sich ergibt, wenn der Wert des Grundbesitzes durch 18,6 geteilt wird (§ 16 BewG). Als Jahreswert wird dann der jeweils niedrigere Betrag angesetzt.

Praxistipp:

Nachträgliche Wertänderungen haben keine Auswirkungen. Ist der Jahreswert also einmal festgesetzt, bleibt es auch bei diesem Wert.

zu Schritt 2: Die Dauer des Nießbrauchs bestimmt die Höhe des Vervielfältigers: 

  • Ist der Nießbrauch für eine bestimmte Zeit eingeräumt, ergibt sich der Vervielfältiger aus der Tabelle 9a zu § 13 BewG. 
    Beispiel: Der Nießbrauch geht über eine Laufzeit von 15 Jahren. Der Vervielfältiger beträgt 10,314.
  • Bei einem lebenslänglichen Nießbrauch gilt § 14 BewG. Hier ist die aktuelle Lebenserwartung maßgebend. Der konkrete Vervielfältiger wird durch ein BMF-Schreiben festgelegt und basiert auf den Sterbetafeln des Statistischen Bundesamtes (BMF-Schreiben vom 14.11.2022 für Bewertungsstichtage ab 1.1.2023). 
    Beispiel: Ist der Nießbrauchsberechtigte bei Einräumung des Nießbrauchs 46 Jahre alt, gilt für Männer ein Vervielfältiger von 15,643 und für Frauen 16,276.

Achtung:

Stirbt der Nießbrauchsberechtigte innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Einräumung des Nießbrauchs, wird die Erbschaftssteuer berichtigt. Es gilt dann die tatsächliche Dauer des Nießbrauchs (§ 14 Abs. 2 BewG).

Beispiel:

Der Nießbrauchsberechtigte stirbt fünf Jahre, nachdem der Nießbrauch eingeräumt wurde. War er zum Zeitpunkt der Einräumung des Nießbrauchs 46 Jahre alt, gilt zunächst ein Vervielfältiger von 15,643 bzw. 16,276 (Wert für Männer bzw. Frauen). Durch den frühen Tod des Nießbrauchsberechtigten muss die Erbschaftssteuer berichtigt werden. Es gilt nun die tatsächliche Dauer des Nießbrauchs von fünf Jahren.

zu Schritt 3: Der Kapitalwert des Nießbrauchs berechnet sich anhand der oben genannten Formel, also Jahreswert mal Vervielfältiger.

Praxistipp:

Die Bewertung des Nießbrauchs erfolgt beim Nießbrauchsberechtigten und beim Nießbrauchsverpflichteten korrespondierend, d.h. bei beiden Personen ist der gleiche Kapitalwert anzusetzen.

Bewertung des Nießbrauchs: Ein Beispiel

Auf einem Grundstück steht ein Mehrfamilienhaus mit vier Wohnungen. Der Grundbesitzwert liegt bei 800.000 Euro. Jede Wohnung erzielt eine monatliche Miete von 1.200 Euro. Nießbrauchberechtigte ist Luisa, die 46-jährige Tochter des Erblassers. Ihr entstehen durch den Nießbrauch Kosten in Höhe von 12.000 Euro jährlich. Der Nießbrauch gilt lebenslänglich.

Schritt 1: Jahreswert ermitteln

Jahreswert

= Einnahmen ./. Kosten

= 1.200 Euro × 4 Wohnungen × 12 Monate ./. 12.000 Euro

= 57.600 Euro ./. 12.000 Euro

= 45.600 Euro

Der Jahreswert ist begrenzt auf den Wert, der sich ergibt, wenn der Wert des Grundbesitzes durch 18,6 geteilt wird:

begrenzter Jahreswert

= Grundbesitzwert : 18,6

= 800.000 Euro : 18,6

= 43.010 Euro

Zum Ansatz kommt der niedrigere Betrag von 43.010 Euro.

Schritt 2: Vervielfältiger bestimmen

Luisa als Nießbrauchsberechtigte ist 46 Jahre alt. Für den lebenslänglichen Nießbrauch gilt hier deshalb ein Vervielfältiger von 16,276.

Schritt 3: Kapitalwert für Nießbrauchsrecht berechnen

Kapitalwert

= Jahreswert × Vervielfältiger

= 43.010 Euro × 16,276

= 700.030 Euro

Nießbrauchsverpflichteter: So berechnet sich die Erbschaftssteuer

Nießbrauchsverpflichteter ist grundsätzlich der Erbe. Er muss aufgrund des Nießbrauchsvermächtnisses einer anderen Person – dem Nießbrauchsberechtigten – den Nießbrauch zum Beispiel an einem Grundstück einräumen.

Zunächst liegt ein ganz normaler Erwerb von Todes wegen vor, der der Erbschaftssteuer unterliegt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Allerdings darf der Nießbrauchsverpflichtete die Belastung mit dem Nießbrauch geltend machen. Es handelt sich dabei um eine sogenannte Nachlassverbindlichkeit (§ 10 Abs. 1 Satz 5 ErbStG i.V.m. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG).

Von dem Wert des Grundstücks, das mit einem Nießbrauch belastet ist, darf der Nießbrauchsverpflichtete den Kapitalwert für das Nießbrauchsrecht abziehen. Der Abzug dieser sogenannten Nießbrauchslast erfolgt grundsätzlich ohne Einschränkungen. Durch die Berücksichtigung der Nießbrauchslast verringert sich die Bereicherung des Erben und sorgt letztlich für eine Minderung des steuerpflichtigen Erwerbs und bewirkt damit eine geringere Erbschaftssteuer.

Praxistipp:

Ein zu Wohnzwecken vermietetes Grundstück wird erbschaftssteuerlich nur mit 90 % des Wertes angesetzt. Dementsprechend dürfen hier von der Nießbrauchslast auch nur 90 % abgezogen werden.

Beispiel:

Alois erbt von seinem Opa Heinz ein Grundstück mit einem Steuerwert von 800.000 Euro. Seiner Mutter Gudrun, die Tochter von Heinz, muss Alois ein Nießbrauchsrecht einräumen, dessen Wert bei 555.173 Euro liegt (Nießbrauchslast).

Variante 1: Es handelt sich um ein Grundstück, das nicht zu Wohnzwecken vermietet ist.

So wird die Erbschaftssteuer für Alois berechnet:

Wert des Grundstücks800.000 Euro
./. Nießbrauchslast./. 555.173 Euro
= Bereicherung= 244.827 Euro
./. persönlicher Freibetrag./. 200.000 Euro
= steuerpflichtiger Erwerb (abgerundet auf volle 100 Euro)= 44.800 Euro
davon 7 % = Erbschaftssteuer= 3.136 Euro

Variante 2: Es handelt sich um ein Grundstück, das zu Wohnzwecken vermietet ist. Es ist der Verschonungsabschlag nach § 13d ErbStG zu berücksichtigen.

So wird die Erbschaftssteuer für Alois berechnet:

Wert des Grundstücks (800.000 Euro ./. 10 %)720.000 Euro
./. Nießbrauchslast (555.173 Euro ./. 10%)./. 499.656 Euro
= Bereicherung= 220.344 Euro
./. persönlicher Freibetrag./. 200.000 Euro
= steuerpflichtiger Erwerb (abgerundet auf volle 100 Euro)= 20.300 Euro
davon 7 % = Erbschaftssteuer= 1.421 Euro

Nießbrauchsberechtigter: So wird er erbschaftssteuerlich behandelt

Durch die Einräumung des Nießbrauchs liegt bei der nießbrauchsberechtigten Person ebenfalls ein steuerpflichtiger Erwerb vor, der der Erbschaftssteuer unterliegt. Der Nießbrauchsberechtigte kann zwischen zwei Arten der Besteuerung wählen:

  1. einmalige und sofortige Besteuerung des Nießbrauchs mit dem Kapitalwert oder
  2. jährliche Besteuerung des Nießbrauchs mit dem Jahreswert.

Praxistipp:

Das Finanzamt setzt im Steuerbescheid automatisch die Besteuerung nach dem Kapitalwert an. Die jährliche Besteuerung mit dem Jahreswert muss der Nießbrauchsberechtigte beantragen. Dies ist möglich, solange der Steuerbescheid noch nicht bestandskräftig ist, also zum Beispiel die einmonatige Einspruchsfrist noch nicht abgelaufen ist oder der Bescheid unter einem Vorbehalt der Nachprüfung steht.

Beispiel:

Alois erbt von seinem Opa Heinz ein nicht zu Wohnzwecken vermietetes Grundstück mit einem Steuerwert von 800.000 Euro. Seiner Mutter Gudrun, die Tochter von Heinz, muss Alois ein Nießbrauchsrecht einräumen, dessen Wert bei 555.173 Euro liegt. Gudrun ist zum Zeitpunkt des Erbfalls 64 Jahre alt.

Variante 1: Die Besteuerung erfolgt nach dem Kapitalwert des Nießbrauchs

So wird die Erbschaftssteuer für Gudrun berechnet:

Kapitalwert Nießbrauchsrecht555.173 Euro
./. persönlicher Freibetrag./. 400.000 Euro
= steuerpflichtiger Erwerb (abgerundet auf volle 100 Euro)= 155.100 Euro
davon 11 % = Erbschaftssteuer= 17.061 Euro

Variante 2: Die Besteuerung erfolgt nach dem Jahreswert des Nießbrauchs

So wird die Erbschaftssteuer für Gudrun berechnet:

Jahreswert Nießbrauchsrecht (Wert des Grundstücks 800.000 Euro : 18,6)43.010 Euro
davon 11 % = jährliche Erbschaftssteuer= 4.731 Euro

Zu berücksichtigen ist jedoch auch in Variante 2 der persönliche Freibetrag von Gudrun in Höhe von 400.000 Euro. Die Anrechnung erfolgt entweder nach der Aufzehrungsmethode oder nach der Kürzungsmethode.

Bei der Aufzehrungsmethode wird der Freibetrag von 400.000 Euro so lange vom Jahreswert in Höhe von 43.010 Euro abgezogen, bis er verbraucht ist. Das bedeutet, dass Gudrun neun Jahre lang gar keine Erbschaftsteuer zahlen muss. Im zehnten Jahr zahlt sie Erbschaftssteuer auf einen Teilbetrag von 30.100 Euro. Damit ist der persönliche Freibetrag dann verbraucht. Ab dem elften Jahr wird die Erbschaftssteuer in Höhe von 4.731 Euro jährlich fällig.

Bei der Kürzungsmethode wird der Jahreswert nach einem bestimmten Prozentsatz gekürzt. Dieser ergibt sich aus dieser Formel:

persönlicher Freibetrag : Kapitalwert des Nießbrauchsrecht × 100

In Gudruns Fall beträgt der Prozentsatz 72,05 % (= 400.000 Euro : 555.173 Euro × 100). Das bedeutet, dass der Jahreswert dauerhaft um 72,05 % gekürzt wird und nur ein Anteil von 27,95 % anzusetzen ist (= 12.021 Euro). Gudrun muss bei der Kürzungsmethode demnach jährlich ab dem ersten Jahr eine Erbschaftssteuer in Höhe von rund 1.322 Euro bezahlen.

Nießbrauch kann Erbschaftssteuern sparen

Als Nießbrauchsberechtigter kann man durch die Wahl der richtigen Besteuerung erheblich Erbschaftssteuer sparen.

Die Besteuerung nach dem Jahreswert ist zum Beispiel von Vorteil, wenn die Erträge aus dem Nießbrauchsrecht so hoch sind, dass sie zur Deckung der jährlichen Steuer ausreichen.

Wer bereits im Seniorenalter ist und einen hohen persönlichen Freibetrag hat, bleibt mit der Besteuerung nach dem Jahreswert und der Aufzehrungsmethode sogar etliche Jahre von der Steuer verschont.

Lebt dagegen der Nießbrauchsberechtigte länger als nach der statistisch ermittelten Lebenserwartung zu erwarten war, führt die Besteuerung nach dem Jahreswert eventuell dazu, dass mehr Erbschaftssteuer gezahlt wird als nach der Besteuerung nach dem Kapitalwert.

Genaues Prüfen und Nachrechnen sind hier auf jeden Fall zu empfehlen.