Bewertung Geschäftsgrundstücke

Für Gewerbeimmobilien kommen zwei Bewertungsverfahren infrage: das Ertragswertverfahren und das Sachwertverfahren. Welches zur Anwendung kommt, hängt davon ab, ob sich für die Gewerbeimmobilie auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt oder nicht. Ab 1.1.2023 sind bei beiden Verfahren Änderungen zu beachten.

 

Was ist ein „Geschäftsgrundstück“?

Ein Grundstück ist ein Geschäftsgrundstück, wenn es zu mehr als 80 % eigenen oder fremden betrieblichen – also gewerblichen oder freiberuflichen – oder öffentlichen Zwecken dient (§ 181 Abs. 6 BewG). Die Berechnung der Nutzungsanteile erfolgt nach der Wohn- und Nutzfläche.

Beispiel:

Eine Halle mit Nebengebäuden hat eine Gesamtfläche von 400 qm. Die Halle selbst hat 325 qm und wird zu betrieblichen Zwecken genutzt. Zum Gebäude gehören zwei kleine Wohnungen mit jeweils 25 qm und Gemeinschaftsräume mit insgesamt 25 qm, die von Saisonarbeitern genutzt werden. Der betrieblich genutzte Anteil beträgt 81,25 %. Damit liegt ein Geschäftsgrundstück vor.

Liegt die betriebliche Nutzung bei 80 % oder weniger (aber mindestens bei 20 %), handelt es sich um ein gemischt genutztes Grundstück (§ 181 Abs. 7 BewG).

Welches Verfahren gilt wann?

Grundsätzlich gibt es zwei Verfahren, mit denen Geschäftsgrundstücke bewertet werden können. Welches zum Zuge kommt, ist davon abhängig, ob sich für das Grundstück auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt oder nicht:

  • Es lässt sich eine übliche Miete ermitteln => es gilt das Ertragswertverfahren.
  • Es lässt sich keine übliche Miete ermitteln => es gilt das Sachwertverfahren.

Von der Reihenfolge her ist zuerst zu prüfen, ob das Ertragswertverfahren angewendet werden kann. Erst wenn dies nicht der Fall ist, kommt das Sachwertverfahren zur Anwendung.

Ertragswertverfahren: Das ändert sich ab 1.1.2023

Seit 1.1.2023 erfolgt die Ermittlung der Bewirtschaftskosten nicht mehr anhand der Restnutzungsdauer des Gebäudes. Stattdessen gibt es feste Prozentsätze für Verwaltungskosten, Instandhaltungskosten und Mietausfallwagnis. Die anzusetzenden Beträge für die Instandhaltungskosten leiten sich von den indizierten Werten bei Wohnnutzung ab, die jährlich von der Finanzverwaltung angepasst werden.

Das sind die Werte für die Wohnnutzung: 

Instandhaltungskosten bei Wohnnutzung
 Basiswert (Anlage 23 BewG)Wert nach Indizierung für Bewertungsstichtage in 2023
jährlich je Quadratmeter Wohnfläche9 Euro13,50 Euro
jährlich je Garage oder ähnlichem Einstellplatz68 Euro102 Euro

Daraus leiten sich zum Teil die Werte bei gewerblicher Nutzung ab:

Bewirtschaftungskosten für gewerbliche Nutzung
Verwaltungskosten
jährlicher Rohertrag3 %
Instandhaltungskosten
 Wert gemäß Anlage 23 BewGWert für Bewertungsstichtage in 2023
Betriebs- und Werkstätten, industrielle Produktionsgebäude, Lagergebäude, Reithallen, ehemalige landwirtschaftliche Mehrzweckhallen, Scheunen u. Ä. (Gebäudearten 15 bis 16 und 18 der Anlage 24, Teil II.): jährlich je Quadratmeter Nutzfläche30 % der Instandhaltungskosten je Quadratmeter Wohnfläche (siehe Tabelle oben)4,10 Euro (= 30 % von 13,50 Euro, gerundet auf eine Nachkommastelle)
Verbrauchermärkte, Kauf- und Warenhäuser, Autohäuser ohne Werkstatt (Gebäudeart 13 der Anlage 24, Teil II.): jährlich je Quadratmeter Nutzfläche50 % der Instandhaltungskosten je Quadratmeter Wohnfläche (siehe Tabelle oben)6,80 Euro (= 50 % von 13,50 Euro, gerundet auf eine Nachkommastelle)
alle anderen Gebäudearten nach Anlage 24, Teil II.: jährlich je Quadratmeter Nutzfläche100 % der Instandhaltungskosten je Quadratmeter Wohnfläche (siehe Tabelle oben)13,50 Euro (= 100 % von 13,50 Euro)
Mietausfallwagnis
jährlicher Rohertrag4 % 

Ertragswertverfahren: Ein Rechenbeispiel

Beispiel:

Ein Bürogebäude hat eine Brutto-Grundfläche von 2.000 qm, das Grundstück ist 800 qm groß. Die weiteren Eckdaten:

vereinbarte Miete (entspricht der üblichen Miete): 40.000 Euro/Monat, 480.000 Euro/Jahr

Baujahr: 2010

wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer (Anlage 22 zum BewG): 60 Jahre

Restnutzungsdauer in 2023: 47 Jahre

Bewirtschaftungskosten (Anlage 23 zum BewG):

  • Verwaltungskosten: 3 % des jährlichen Rohertrags, also 3 % von 480.000 Euro = 14.400 Euro
  • Instandhaltungskosten: 2.000 qm (Nutzfläche) × 13,50 Euro (= 100 % der Instandhaltungskosten je Quadratmeter Wohnfläche) = 27.000 Euro
  • Mietausfallwagnis: 4 % des jährlichen Rohertrags, also 4 % von 480.000 Euro = 19.200 Euro
  • Gesamt: 60.600 Euro 20 %

Liegenschaftszinssatz (§ 188 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BewG): 6,0 %

Vervielfältiger (Anlage 21 zum BewG): 15,59

Bodenrichtwert 860 Euro/qm

Beim Ertragswertverfahren werden Gebäude und Grund und Boden getrennt bewertet (§ 184 Abs. 1 BewG):

  • Die Bewertung des Grund und Bodens erfolgt wie bei einem unbebauten Grundstück.
  • Für die Bewertung des Gebäudes wird ein Gebäudeertragswert ermittelt.

So wird gerechnet:

Bewertung Grund und Boden:

Bodenwert = Fläche des Grundstücks × Bodenrichtwert

800 qm × 860 Euro/qm = 688.000 Euro

Bewertung Gebäude:

Rohertrag480.000 Euro
./. Bewirtschaftungskosten./. 60.600 Euro
= Reinertrag= 419.400 Euro
./. Bodenwertverzinsung (= Bodenwert × Liegenschaftszinssatz; hier: 6,0 % von 688.000 Euro)./. 41.280 Euro
= Gebäudereinertrag= 378.120 Euro
× Vervielfältiger× 15,59
= Gebäudeertragswert= 5.894.890,80 Euro

 

Gebäudeertragswert5.894.890,80 Euro
+ Bodenwert+ 688.000 Euro
= Ertragswert des Grundstücks= 6.582.890,80 Euro

Mindest-Ertragswert = Bodenwert: 688.000 Euro.

Als Ertragswert ist der höhere Betrag anzusetzen: 6.582.890,80 Euro

Sachwertverfahren: Das ändert sich ab 1.1.2023

Ab 1.1.2023 ist bei der Bewertung nach dem Sachwertverfahren ein sogenannter Regionalfaktor zu berücksichtigen. Dieser bildet den Unterschied zwischen dem bundesdurchschnittlichen und dem regionalen Baukostenniveau ab. Sind keine solchen Regionalfaktoren festgelegt worden, gilt ein Regionalfaktor von 1,0 (§ 190 Abs. 5 BewG). 

Das Alter des Gebäudes fließt über den sogenannten Alterswertminderungsfaktor in die Bewertung mit ein. Dieser entspricht dem Verhältnis der Restnutzungsdauer des Gebäudes zu dessen wirtschaftlicher Gesamtnutzungsdauer nach Anlage 22 zum BewG.

Sachwertverfahren: Ein Rechenbeispiel

Beispiel:

Ein Bürogebäude hat eine Brutto-Grundfläche von 2.000 qm, das Grundstück ist 800 qm groß. Die weiteren Eckdaten:

Baujahr: 2010

wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer (Anlage 22 zum BewG): 60 Jahre

Restnutzungsdauer in 2023: 47 Jahre

Standardstufe 3: Die Regelherstellungskosten betragen damit 1.040 Euro/qm Brutto-Grundfläche (Anlage 24 zum BewG, Teil II Nr. 6.1).

Bodenrichtwert 860 Euro/qm

Baupreisindex (für 2023): 166,9

Regionalfaktor: 1,0

Alterswertminderungsfaktor (Alter des Gebäudes/wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer): 0,783

Beim Sachwertverfahren werden Gebäude und Grund und Boden getrennt bewertet (§ 189 Abs. 1 BewG):

  • Die Bewertung des Grund und Bodens erfolgt wie bei einem unbebauten Grundstück.
  • Für die Bewertung des Gebäudes wird ein Gebäudesachwert ermittelt.

So wird gerechnet:

Bewertung Grund und Boden:

Bodenwert = Fläche des Grundstücks × Bodenrichtwert

800 qm × 860 Euro/qm = 688.000 Euro

Bewertung Gebäude:

Regelherstellungskosten1.040 Euro/qm
× Brutto-Grundfläche× 2.000 qm
x Baupreisindex× 166,9/100
= durchschnittliche Herstellungskosten des Gebäudes= 3.471.520 Euro
x Regionalfaktor× 1,0
x Alterswertminderungsfaktor× 0,783
= Gebäudesachwert= 2.718.200,16 Euro
Gebäudesachwert2.718.200,16 Euro
+ Bodenwert+ 688.000 Euro
= Vorläufiger Sachwert= 3.406.200,16 Euro
× Wertzahl (Anlage 25 zum BewG)× 0,7
= Sachwert= 2.384.340,11 Euro

Fazit

Es ergeben sich doch erhebliche Unterschiede bei der Bewertung nach dem Ertragswertverfahren und nach dem Sachwertverfahren. Befindet sich die Gewerbeimmobilie in einer gefragten Lage, sind die Mieten entsprechend hoch – und das wirkt sich auf den Ertragswert aus. Beim Sachwertverfahren dagegen spielt vor allem die Ausstattung des Gebäudes eine Rolle. Bei einem mittleren Ausstattungsstandard ergibt sich, wie man an den Rechenbeispielen sehen kann, ein deutlich geringerer Sachwert. Ein Vorteil bei der Berechnung der Erbschaftssteuer.