Das Vergleichswertverfahren ist zur Bewertung von Wohnungseigentum, Teileigentum und Ein- und Zweifamilienhäusern vorgesehen.
Bei der Anwendung des Vergleichswertverfahrens wird der Grundbesitzwert des zu bewertenden Grundstücks entweder aus Vergleichspreisen für vergleichbare Grundstücke oder aus Vergleichsfaktoren abgeleitet (§ 183 BewG). Vergleichspreis- und Vergleichsfaktorverfahren sind gleichberechtigt, das Finanzamt kann sich nach eigenem Ermessen für das eine oder das andere Verfahren entscheiden (Gleichlautende Ländererlasse vom 20.3.2023 – AEBew JStG 2022 – Rz. 11).
Vergleichspreisverfahren
Im Vergleichspreisverfahren ergibt sich der Vergleichswert aus einer ausreichenden Zahl von geeigneten Vergleichspreisen. Es sind für die Bewertung die Kaufpreise heranzuziehen, die beim Verkauf vergleichbarer Objekte erzielt wurden. Gutachterausschüsse ermitteln die entsprechenden Vergleichspreise. Basis dieser Ermittlung sind notariell geschlossene Immobilien-Kaufverträge. Die Gutachterausschüsse vergleichen
- Grundstücksgröße,
- Baujahr,
- Lage,
- Wohnfläche,
- Ausstattung.
Um die Wertermittlung durchführen zu können, erhalten die Gutachterausschüsse von den Notaren eine Abschrift von jedem Kaufvertrag. Auskünfte erteilen die örtlichen Gutachterausschüsse bei berechtigtem Interesse.
Voraussetzung für die Anwendung des Vergleichspreisverfahrens ist grundsätzlich eine ausreichende Anzahl geeigneter Vergleichspreise.
Gut zu wissen:
Liegen keine oder zu wenige Vergleichspreise vor, erfolgt die Bewertung von Wohnungseigentum, Teileigentum und Ein- und Zweifamilienhäusern anhand des Sachwertverfahrens. Der Grund: Eine brauchbare Bewertung ist hier nur möglich, wenn genügend Vergleichsgrundstücke vorhanden sind.
Auch müssen die Vergleichspreise zeitnah erzielt worden sein, also der Verkauf des Vergleichsgrundstücks sollte idealerweise erst vor kurzem erfolgt sein. Liegt nämlich der Auswertungszeitraum zu lange zurück (i.d.R. länger als ein Jahr), sind die entsprechenden Daten nicht mehr für das Vergleichswertverfahren geeignet.
Ausnahme:
Haben sich die Wertverhältnisse nicht wesentlich geändert, können die Daten auch über einen längeren Zeitraum als ein Jahr hinaus angewendet werden. Das gilt zum Beispiel, wenn der Gutachterausschuss einmal veröffentlichte Daten, die für die Wertermittlung erforderlich sind, für weiter anwendbar erklärt (§ 183 Abs. 2 Satz 3 BewG).
Vergleichsfaktoren
Anstelle von Vergleichspreisen können zur Ermittlung des Vergleichswerts auch Vergleichsfaktoren herangezogen werden. Gutachterausschüsse definieren zunächst ein Musterobjekt, also zum Beispiel eine Muster-Eigentumswohnung. Für diese wird zum Beispiel nach Lage und Baujahr ein Wert in Euro/qm Wohnfläche festgelegt; das ist der Vergleichsfaktor. Stimmen die Parameter der zu bewertende Wohnung mit der Musterwohnung überein, wendet man den Vergleichsfaktor auf die Wohnfläche der zu bewertenden Wohnung an. Die Formel lautet dann:
Wohnfläche × Vergleichsfaktor = Grundbesitzwert
Zusätzlich ist der Bodenwert mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Dieser ermittelt sich aus Grundstücksfläche und Bodenrichtwert.
Beispiel:
Die Musterwohnung hat eine Wohnfläche von 80 qm, mittlere Ausstattung, ist nicht vermietet. Für eine gute Wohnlage ist ein Vergleichsfaktor von 1.800 Euro/qm Wohnfläche vorgesehen. Entspricht die zu bewertende Wohnung der Musterwohnung – also ist sie 80 qm groß, hat eine mittlere Ausstattung und ist nicht vermietet – berechnet sich der Grundbesitzwert wie folgt:
80 qm × 1.800 Euro/qm = 144.000 Euro
Dazu kommt noch der Bodenwert.
Weichen die Grundstücksmerkmale der Vergleichsgrundstücke bzw. der den Vergleichsfaktoren zugrundeliegenden Grundstücke von den Grundstücksmerkmalen des zu bewertenden Grundstücks ab, so sind diese Abweichungen durch Zu- oder Abschläge nach Vorgabe des Gutachterausschusses für Grundstückswerte zu berücksichtigen (R B 183 ErbStR).
Stehen keine solchen Anpassungsfaktoren, zum Beispiel in Form von Umrechnungskoeffizienten zur Verfügung, gilt: Eine Übereinstimmung wird noch unterstellt, wenn die Grundstücksmerkmale des zu bewertenden Grundstücks um höchstens jeweils 20 % vom Vergleichsgrundstück abweichen.
Beispiel:
Hat die Musterwohnung eine Wohnfläche von 80 qm, dürfen die Vergleichsfaktoren auch dann angewendet werden, wenn die zu bewertende Wohnung eine Wohnfläche zwischen 64 qm und 96 qm hat. Dies entspricht einer Abweichung von höchstens 20 % nach unten und nach oben.
Bei größeren oder kleineren Wohnungen, also wenn die Abweichung mehr als 20 % beträgt, finden die Vergleichsfaktoren keine Anwendung mehr.
Weichen die Grundstücksmerkmale der zu bewertenden Eigentumswohnung um mehr als 20 % von den Merkmalen der Musterwohnung ab, ist eine Anwendung des Vergleichsfaktors nur möglich, wenn der Gutachterausschuss zusätzlich entsprechende Umrechnungskoeffizienten hinsichtlich unterschiedlicher Wohnflächen ermittelt und mitgeteilt hat. Liegen solche Werte nicht vor, erfolgt die Bewertung im Sachwertverfahren.
Praxistipp:
Die Bewertung nach dem Sachwertverfahren sollte nach der gesetzlichen Regelung eigentlich nur der Ausnahmefall sein. In der Praxis kommt das Sachwertverfahren jedoch häufiger vor als das Vergleichswertverfahren.
Belastungen, die den Wert beeinflussen, und andere Besonderheiten werden im Vergleichswertverfahren nicht berücksichtigt.